Die Tochter des Münzmeisters
meinen Großvater kurz vor seinem Tod in die Welt gesetzt wurden. Es steht wohl außer Frage, dass Euer Vater daran die Schuld trägt, nur leider konnte ihm nichts nachgewiesen werden.« Henrika fühlte sich unter dem lauernden Blick Dietberts äußerst unwohl, aber sie sprach unbeirrt weiter. »Ihr habt mir einmal erzählt, dass Ihr Euren Vater gehasst habt, außerdem gebt Ihr vor, tiefere Gefühle für mich zu hegen. Könnt Ihr mir dabei helfen, diese abscheulichen Gerüchte aus der Welt zu schaffen?«, fragte sie und versuchte, ihren Worten einen möglichst beiläufigen Klang zu geben.
»Ich kann Eure Klugheit nur bewundern, mein liebes Fräulein«, sagte Dietbert in einem Ton, der Henrika nicht gefiel. »Ihr wendet Euch genau an den richtigen Mann, denn in der Angelegenheit kann Euch der ehrenwerte Randolf nicht helfen! Dazu bin höchstwahrscheinlich allein ich in der Lage, was ich selbstredend unter bestimmten Voraussetzungen gerne unter Beweis stellen werde.«
Misstrauisch erwiderte Henrika seinen verlangenden Blick, denn ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, dass er einen hohen Preis verlangen würde. »Was wollt Ihr?«,fragte sie tonlos und ließ zu, dass er sie erneut berührte, denn das Verlangen, den größten Wunsch ihrer Großmutter zu erfüllen, war im Augenblick stärker als ihr Widerwille.
Dietbert hielt sie weiter fest, während er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich und mit belegter Stimme dicht an ihrem Ohr raunte: »Euch!«
»Ich soll mich Euch wie eine Hure hingeben?«, fragte sie fassungslos und wich ein Stück zurück.
Heftig schüttelte Dietbert den Kopf und erwiderte gekränkt: »Ich bin nicht mein Vater! Nein, erhört meinen Antrag und werdet meine Frau, nicht mehr und nicht weniger. Dann werde ich höchstpersönlich beim König vorsprechen und bezeugen, was ich damals von dem Auftrag meines Vaters mitbekommen habe. Der Mann, der den Brief mit den Anschuldigungen entgegengenommen hat, ist zwar nicht mehr am Leben, aber da ich ebenfalls zugegen war, wird mein Wort sicher ausreichen.«
»Während ich mit dem Sohn des Mannes verheiratet bin, der für das Unglück verantwortlich ist«, spie ihm Henrika entgegen.
»Vorsichtig!«, warnte Dietbert. »Ich habe Euch schon einmal gesagt, dass ich nichts dafür kann, und Ihr werdet bestimmt im Laufe der Zeit einige gute Eigenschaften an mir entdecken. Rettet mich, edle Henrika«, flehte er eindringlich.
»Fräulein Henrika, seid Ihr hier?«
Aufatmend drehte sie sich um und sah am Eingang des Stalles die hochgewachsene Gestalt Guntrams stehen. Dietbert hielt zwar noch immer ihre Hand fest, was sie jedoch nicht daran hinderte, laut zu rufen. Sofort sahen auch die beiden Stallburschen zu ihnen hinüber, und Guntram eilte mit großen Schritten auf sie zu. Mit einem ärgerlichen Laut ließ Dietbert ihre Hand los, undbevor der Arbeiter ihres Vaters sie erreicht hatte, zischte sie: »Ich werde es auch ohne Eure Hilfe schaffen!«
Als Henrika abends im Bett lag, war sie noch immer viel zu aufgewühlt, als dass sie hätte Ruhe finden können. Sie war ihrem Ziel, die Ehre ihres Großvaters wiederherzustellen, fast schon beängstigend nahe gerückt und ertappte sich bei dem Wunsch, sie hätte Dietbert von Hanenstein nie danach gefragt. Im Augenblick kam es ihr vor, als hätte sich vor ihr eine Mauer aus Problemen aufgebaut, die täglich höher wurde. Um sich abzulenken, wanderten ihre Gedanken zu ihrem Onkel, der sie nach Goslar begleitet hatte. Zwar befand Brun sich längst auf dem Weg zum Herzog von Rheinfelden, zu dem er vor vielen Jahren als Knappe gezogen war, doch zu Henrikas Freude war ihr Verhältnis seit dem letzten Zusammentreffen mit ihrem jüngeren Onkel enger geworden.
Das Gespräch, das sie nach ihrer Ankunft in Goslar mit Brun geführt hatte, verhalf ihr jetzt zu ein wenig mehr Ruhe, zeigte es Henrika doch die innere Verbundenheit, die zwischen ihr und den Brüdern ihrer Mutter herrschte.
»Mir scheint, nicht nur deiner Mutter ist eine tragische Liebe vorbestimmt gewesen«, hatte Brun ohne erkennbare Regung bemerkt.
Sie waren auf dem Rückweg vom Haus des Münzmeisters zu der Unterkunft, in der Randolfs Familie und Henrika untergebracht waren. Die junge Frau war damit der Bitte von Betlindis nachgekommen, die sich einsam und mit Herwin ohne Hilfe schnell überfordert fühlte.
Abrupt war Henrika stehen geblieben und hatte um Worte gerungen.
Brun schien keine Antwort zu erwarten, denn er griff nach ihrer Hand und drückte sie
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