Die Tochter des Münzmeisters
Strahlen umarmte und von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis setzte, kostete es diese all ihre Willenskraft, um nicht sofort in Tränen auszubrechen. Erst am Abend in ihrer Kammer konnte sie ihrer Trauer freien Lauf lassen. Zwar schämte sie sich darüber, dass sie ihrer Freundin nicht das Glück gönnte, doch sie kam einfach nicht dagegen an.
Vor allem schmerzte es sie, dass Randolf in der Zeit bei seiner Frau gelegen hatte, als sie sich über ihre Gefühle bereits im Klaren waren. Obwohl sie sich durchaus darüber im Klaren war, dass sie selbst ihm gesagt hatte, es sei hoffnungslos. Henrika dachte mit Verbitterung an den Abend zurück, als sie aus dem Stall vor ihm davongelaufen war und er anschließend Betlindis in ihrer Kemenate aufgesucht hatte. Es dauerte mehrereWochen, bis die verletzte Henrika die Situation endlich einigermaßen akzeptieren konnte.
Zumindest redete sie sich das ein.
Heute nun erwarteten sie den Einzug des königlichen Trosses. Henrika hatte den Tag einerseits herbeigesehnt, andererseits gefürchtet. Sie wusste nicht, wie sie beim Anblick Randolfs reagieren würde, und hoffte inständig, weiterhin ihre Gefühle vor Betlindis verbergen zu können. Da allein der Gedanke an den Ritter eine verräterische Röte auf ihre Wangen malte, war sie sich absolut nicht sicher, ob ihr das gelingen würde.
Das laute Signal eines Hornes ließ sie aus ihren Gedanken auffahren, während Randolfs Frau ans Fenster ihrer Gastunterkunft stürzte, gefolgt von dem mittlerweile fünfjährigen Herwin, der seinen Vater sehr vermisst hatte.
»Sie sind es!«, rief Betlindis aufgeregt und winkte Henrika zu sich heran. »Komm schnell und sieh dir den mächtigen Zug an, er scheint gar kein Ende zu nehmen.«
Zögernd ging Henrika die paar Schritte und warf einen flüchtigen Blick hinaus. Die Rufe der herbeiströmenden Zuschauer, die sich das Ereignis nicht entgehen lassen wollten, wurden immer lauter, und wider Erwarten ließ Henrika sich von der Aufregung ihrer Freundin anstecken. Die beiden Frauen hatten einen guten Platz, denn das Ritterhaus, in dem sie die letzten Monate verbracht hatten, stand direkt am Rand des Pfalzplatzes.
»Da ist Vater«, schrie plötzlich Herwin und winkte heftig, während er mit dem Zeigefinger der anderen Hand auf einen der Reiter zeigte, die dicht hinter dem König ritten.
Henrika folgte dem Fingerzeig, und augenblicklich begann sich das altbekannte Gefühl in ihrem Unterleibauszubreiten, als würden unzählige kleine Käfer sie mit ihren Füßen kitzeln. Sie wusste nicht, ob Randolf die Rufe seines Sohnes gehört hatte, jedenfalls sah er direkt zu ihnen hinauf und neigte leicht den Kopf. Dabei umspielte ein Lächeln seine Lippen.
»Wir müssen hinunter!«
Hastig griff Betlindis nach der Hand ihres Sohnes und strebte mit ihm dem Ausgang entgegen. Kurz bevor die beiden den Raum verlassen wollten, drehte sie sich nochmals fragend zu Henrika um.
»Was ist mit dir? Willst du nicht mitkommen?«
»Nein, geht nur alleine, ich schaue von hier oben noch ein bisschen zu.«
Einen Moment zögerte Betlindis, doch dann zuckte sie die Schultern, und gleich darauf war Henrika alleine. Für einen kurzen Augenblick flackerte der Gedanke auf, sie könnte jetzt ihren Vater besuchen, doch sie verwarf ihn schnell wieder, denn dann hätte sie sich mitten durch die vielen Neuankömmlinge einen Weg bahnen müssen.
Der Zug Heinrichs schien tatsächlich kein Ende zu nehmen, was nicht verwunderlich war, denn in der Stadt sollte ein Hoftag abgehalten werden. Neben den Rittern, die zum Teil von ihren Familien begleitet waren, erkannte Henrika viele Geistliche und Handwerker, ganz zu schweigen von den unzähligen Unfreien, die die Tiere zusammenhielten oder Lasten schleppten. Schließlich waren auch die Letzten eingetroffen, und die herbeigeeilten Goslarer verließen nach und nach die Stätte, um sich wieder an die Arbeit zu begeben.
Henrika beugte sich weit aus dem Fenster und erstarrte, als sie in der Nähe des Königs Dietbert von Hanenstein erkannte, der sich suchend umsah. Schnell wich sie zurück und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Ihr Atem ging flach, und es dauerte eine Weile, bis siesich wieder beruhigt hatte. Seit dem Vorfall im Stall hatte Dietbert sie mehrfach in ihren Träumen aufgesucht. Jedes Mal mit dem Angebot, die Ehre ihres Großvaters wieder herzustellen. Ihre Antwort kannte sie nicht, denn sie war jedes Mal genau dann schweißgebadet erwacht.
Bald wurde es ruhiger auf dem Platz, und
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