Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
Vom Netzwerk:
konnte sie davon abbringen, Esiko am nächsten Abend erneut aufzusuchen. Für den Moment gab sie nach, allerdings nur, um das nächste heikle Thema anzuschneiden.
    »Du warst damals mit dieser Tänzerin in der Hütte neben der Kirche, habe ich recht? Und wer weiß, welche Frauen sich dir dort noch hingegeben haben. Oh, du Schuft!«, rief sie, ohne auf die Lautstärke ihrer Worte zu achten.
    Esiko drückte ihr eine Hand auf den Mund, so dass nur noch undeutliches Gemurmel zu vernehmen war. Im nächsten Augenblick erstarrten sie beide, denn draußen waren Schritte zu hören. Der Eingang des Stalls öffnete sich langsam knarrend, und jemand leuchtete mit einer Öllampe hinein. Zum Glück hatte Esiko geistesgegenwärtig ihre eigene Lichtquelle ausgeblasen. Hemma kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, bis die Tür endlich wieder zufiel und der Stall erneut im Dunkeln lag. Gottlob hatte Christian es nicht für nötig erachtet, genauer nachzusehen, und so blieben sie unentdeckt.
    Esiko atmete hörbar aus. »Was habe ich dir gesagt? Wir sollten das Glück nicht weiter herausfordern. Nur eines will ich noch klarstellen, bevor du gehst. Ich war tatsächlich mit der Tänzerin in der Hütte, aber von ein paar Küssen abgesehen, ist nichts geschehen. Andere Frauen gab es in den letzten Monaten keine für mich, und das ist die Wahrheit!«
    Hemma wusste nicht, warum, aber sie glaubte ihm jedes Wort. »Wieso ist es beim Küssen geblieben? Bitte, ich muss es wissen. Die Tänzerin war ganz vernarrt in dich, das war deutlich zu sehen. Also sag mir jetzt nicht, dass sie nicht wollte«, gab sie ebenso leise zurück.
    Esiko antwortete nicht sofort, und da sie nicht gewagt hatten, die Öllampe wieder anzuzünden, konnte Hemma auch nicht sehen, wie er entnervt die Augen verdrehte.
    »Weil es nicht leicht ist, eine Frau zu küssen, geschweige denn, sie zu lieben, wenn einem ständig das Bild einer anderen vor Augen steht.«
    Hemma lächelte glücklich, erhob sich und zog ihre Kotte über den Kopf. Nachlässig band sie die Schnüre und bückte sich dann, um dem verdutzten Esiko einen zärtlichen Abschiedskuss zu geben. »Bis morgen Abend«, flüsterte sie und war im nächsten Augenblick verschwunden.
    Ungesehen gelangte sie über den Hof ins Haus und leise in ihr Zimmer. Wenn sie sich nicht in einem so berauschten Zustand befunden hätte, wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass kurze Zeit später jemand die Haustür leise zuzog.
    Henrikas faszinierter Gesichtsausdruck schob sich mit einem Mal vor Bruns inneres Auge und verdrängte alles andere. Der Achtjährige hatte am nächsten Tag alles, was er gesehen und gehört hatte, seinem großen Bruder offenbart, denn der Gedanke, dass Hemma und Esiko denHof verlassen könnten, war ihm unerträglich. Ohne eine Regung zu zeigen, hatte Henrika von Goswin erfahren, dass er das heimliche Liebespaar am nächsten Abend gestellt und Esiko mit wutverzerrtem Gesicht in den Keller gesperrt hatte, während Hemma auf ihrem Zimmer die Rückkehr des Vaters abwarten musste. Die Narben auf seinem Rücken, die von den unzähligen Selbstkasteiungen herrührten, hatte Goswin seiner Nichte allerdings verschwiegen.
    Resigniert wischte Brun sich mit beiden Händen über das müde Gesicht. Seine Nichte trug es weder ihm noch seinem Bruder nach, denn nachdem beide Männer ihre Seele entlastet hatten, war Henrika auf sie zugegangen und hatte sie liebevoll umarmt. Seufzend schwang sich Brun wieder in den Sattel, um die letzte Etappe des Weges hinter sich zu bringen.
    »Jetzt beruhige dich doch endlich und hör auf zu weinen«, bat Henrika ihre völlig aufgelöste Freundin, die seit zehn Minuten in ihr Kissen schluchzte.
    »Er liebt mich nicht mehr, sonst hätte er sich doch sofort gefreut«, jammerte Betlindis und verbarg weiterhin ihr Gesicht, während sie am ganzen Körper bebte.
    Nie im Leben würde Henrika die versteinerte Miene Randolfs vergessen, nachdem seine Gemahlin ihm das freudige Ereignis angezeigt hatte. Es war zwar nur ein kurzer Moment, aber der reichte, um Betlindis weinend aus dem Zimmer stürzen zu lassen. Henrika war ihr mit einem wütenden Blick auf Randolf gefolgt und versuchte seitdem, sie zu beruhigen. Seit sie von der Schwangerschaft erfahren hatte, hielt sie ihre eigenen Gefühle und Sehnsüchte fest verschlossen, und das Mitgefühl für die enttäuschte Betlindis übernahm die Oberhand.
    »Natürlich liebt er dich, deshalb war er ja so erschrocken.Sein erster Gedanke galt deiner Gesundheit, das darf

Weitere Kostenlose Bücher