Die Tochter des Münzmeisters
ausbreitete.
Randolf winkte ab und setzte sich vorsichtig auf den freien Platz. Henrika ließ sich ebenfalls wieder nieder, wobei sie sorgsam darauf achtete, dass genügend Abstand zwischen ihnen blieb.
»Nicht der Rede wert. Meinen linken Arm kann ich im Moment zwar kaum gebrauchen, aber in ein paar Tagen sieht das schon wieder anders aus. Und die Wunde, die mir der Kerl mit dem Dolch zugefügt hat, ist zum Glück auch nicht tief. Wir werden trotzdem einen Tag längerhierbleiben und erst morgen losreiten. Folkmar geht es allerdings noch nicht so gut, denn bei dem Keulenschlag hat er sich eine Rippe gebrochen. Außerdem hat er recht viel Blut verloren und wird sich noch mehrere Tage schonen müssen. Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, wenn wir unseren Ritt ohne ihn fortsetzen werden. Selbstverständlich wird stattdessen einer der Stallburschen mitkommen, seid also unbesorgt.«
Henrika versicherte ihm eilig, dass er ohne Frage die richtige Entscheidung getroffen hatte und sie, falls seine Schmerzen zu stark sein sollten, auch gerne einen weiteren Tag hier verweilen könnten.
Randolf lehnte ab. »Ich hätte zwar nichts gegen eine längere Ruhepause einzuwenden, möchte aber Euren Vater nicht zusätzlich beunruhigen. Wenn wir morgen rechtzeitig aufbrechen, sollten wir es bis zum späten Nachmittag bis nach Goslar schaffen. Nach meiner Beobachtung seid Ihr eine gute Reiterin. Traut Ihr Euch den langen Ritt an einem Tag zu?«
»Gewiss«, erwiderte sie ruhig. »Zumindest eine Eigenschaft meiner Mutter habe ich wohl geerbt. Wenn ich auch sonst leider nicht viel von ihr weiß. Ihr kanntet sie auch, ebenso wie meinen Großvater, oder? Erzählt mir von den beiden.«
Erst, als sie nach einem Moment des Schweigens leise hinzufügte: »Bitte, es ist sehr wichtig für mich!«, kam Randolf seufzend ihrem Wunsch nach. So erfuhr sie nach den kurzen Erklärungen ihres Onkels vom Vortag aus einer weiteren Sichtweise alles über die damaligen Ereignisse und Personen. Deutlich hörte sie aus Randolfs Erzählung seine Bewunderung für ihren Großvater heraus, und für einen Moment schien es ihr, als wäre sie ein Teil der Geschehnisse, so lebhaft und anschaulich gestaltete sich die Reise in die Vergangenheit. Erst als Randolfauf den Tag des Überfalls zu sprechen kam, versteifte sie sich unwillkürlich, und der schöne gedankliche Ausflug war vorüber.
»Sehe ich meiner Mutter ähnlich?«, fragte sie, nachdem Randolf geendet hatte.
Zögernd heftete er den Blick auf ihr schmales Gesicht, als versuchte er damit, sich gleichzeitig an den Anblick ihrer Mutter zu erinnern. Henrika hielt seinem intensiven Blick stand, schließlich ahnte sie nicht, welche Kämpfe sich hinter seiner ruhigen Fassade abspielten, zudem verlangte es sie dringend nach der ersehnten Zuversicht, um das jahrelange Gefühl des Verlorenseins bekämpfen zu können. Endlich erhielt sie die ersehnte Antwort.
»Wenn Ihr äußerliche Ähnlichkeiten meint, so fällt mir vor allem Eure schmale Gesichtsform auf, die der Eurer Mutter mit den hohen Wangenknochen gleicht. Die Haarfarbe habt Ihr allerdings, genau wie Goswin, von Eurem Großvater, wobei ich zugeben muss, dass Euer Haar um einiges herrlicher ist als seines. Soll ich fortfahren?«, fragte er vorsichtig, als er ihre Verlegenheit bemerkte.
Henrika errötete noch stärker, doch sie sah nicht zur Seite, denn eine Antwort benötigte sie noch zum Abschluss. »Mein Großvater hatte die gleichen braunen Augen wie Onkel Goswin«, sagte sie zögernd und fügte überrascht hinzu: »Sogar Eure ähneln den Augen meines Onkels, allerdings …« Sie brach mitten im Satz verlegen ab, denn fast hätte sie ihm gesagt, dass sie ein wunderschönes, warmes Leuchten in sich trugen. Auf die Nachfrage des Ritters murmelte sie nur, es sei nicht so wichtig. »Was ich eigentlich meine, ist Folgendes«, fuhr sie dann fort. »Weder mein Onkel Brun, der die Augenfarbe meiner Großmutter Edgitha geerbt hat, noch mein Vater besitzen grüne Augen. Habe ich sie von meiner Mutter?«
In dem Augenblick kam Randolf ein abwegiger Gedanke, und er wich ihrem drängenden Blick aus.
»Es wäre sicher besser, wenn Ihr diese Frage Eurem Vater stellen würdet.«
Henrika zuckte ungeduldig mit den Achseln. »Mein Vater hat meine Mutter vergöttert und beschreibt sie mir stets als Engel. Jeder genauen Nachfrage weicht er aus, deshalb ist es zwecklos. Er sagt mir jedes Mal aufs Neue, wie sehr ich ihn an sie erinnere, aber ich bin mir sicher, dass er es
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