Die Tochter des Münzmeisters
alte Familienfehde mit einer Heirat beendete, dann würde sie sich nicht durch unbedachtes Verhalten der Verantwortung entziehen.
Von Folkmar war keine Spur zu sehen, erst als Randolf ein kokettes Lachen hörte, entdeckte er ihn am hinteren Teil des Hauses, wo er Gunhild dabei half, mehrere leinene Tücher zum Trocknen aufzuhängen. Selbst auf die Entfernung hin machte der junge Mann den Eindruck, als wäre er dem Mädchen völlig verfallen.
Wie Henrika sechzehn Jahre alt, wirkte sie um einiges offener als ihre Base und setzte ihr hübsches Gesicht und ihre üppigen Rundungen bereits bewusst ein. Randolf hatte schon vor einem Jahr Bekanntschaft mit ihrem verführerischen Lächeln und dem aufreizenden Benehmen gemacht. Da er jedoch bereits verheiratet war, hatte er sie mit einer eisigen Bemerkung abgewiesen. Jedes Mal, wenn er ihr begegnete, hatte er das Gefühl, als würde sie nur auf eine Gelegenheit warten, ihm die Abfuhr heimzuzahlen, er begegnete ihr dennoch höflich. Randolf wusste, dass Goswin mit seinen Worten über das junge Mädchen recht hatte, denn auch der Ritter fühlte sich unwohl, wenn er in ihre kalten Augen blickte. Natürlich konnte Gunhild nichts dafür, aber es gelang Randolf nicht, gegen diese instinktive Abneigung anzukämpfen.
»Ich packe nur rasch meine Sachen zusammen, dann können wir aufbrechen, Herr Randolf.«
Der Ritter schrak zusammen, als Henrika ihn plötzlich ansprach. Sie machte einen gefassten Eindruck, wenngleich alle Farbe aus ihrem sowieso schon hellhäutigen Gesicht gewichen war. Neben ihr stand Goswin, der fast noch mitgenommener wirkte als seine Nichte. Randolf brachte nur ein Nicken zustande, woraufhin Henrika ins Haus ging.
»Wie hat sie reagiert?«, fragte er gleich darauf ihren Onkel.
Der presste die Lippen aufeinander und antwortete erst nach kurzem Zögern. »Ich kann schlecht einschätzen,was in ihr vorgeht.« Hilflos zuckte er mit den Schultern. »Selbst wenn diese Ehe nicht zustande kommt, wovon ich mal ausgehe, für Henrika hat sich heute einiges geändert. Versprich mir, auf sie achtzugeben.«
So gab Randolf zum zweiten Mal innerhalb von mehreren Stunden sein Wort, auf Henrika aufzupassen, und kämpfte gegen die unbestimmte Ahnung an, dass Goswin seiner Nichte die wichtigsten Dinge vorenthalten hatte.
Eine gute Stunde später saßen sie zu dritt auf den Pferden. Der kleine Esiko schien sehr unter dem unerwarteten Aufbruch seiner Cousine zu leiden, denn er rang tapfer die Tränen nieder, ebenso wie Henrika selbst. Auch Goswin und Mathilda wirkten bedrückt, und Randolf vermutete, dass sein Freund bereits mit seiner Frau gesprochen hatte. Allein Gunhild schien es allem Anschein nach egal zu sein, dass ihre Halbbase so unvermittelt fort musste, denn ihre Aufmerksamkeit galt allein Folkmar, den sie völlig in ihren Bann gezogen hatte.
Als alle anderen sich bereits wieder zerstreut hatten, stand nur noch Goswin still auf dem staubigen Hof und blickte in die Richtung, in die seine Nichte verschwunden war. Der Kampf, der seit seinem äußerst einseitigen Gespräch mit ihr in ihm tobte, ließ an Kraft nicht nach, und am liebsten wäre er hinter Henrika hergeritten, um ihr auch den Rest zu erzählen. All das Schlimme und auch das Schöne, das Hemma erlebt hatte und das letztendlich nötig gewesen wäre, um Henrikas seit langem verschlossenen Kern im Innern zu erreichen und aufzubrechen. Er wusste, dass sie vom Temperament her seiner verstorbenen Schwester glich, nur hielt sie es seit Jahren fest im Inneren verschlossen. Aber es stand ihm nicht zu, seiner Nichte all das zu erzählen, schließlichhatte sie einen Vater! Erst eine ganze Weile später ging Goswin betrübt wieder an die Arbeit.
Der Ritt verlief schweigsam, denn nachdem Randolf anfangs versucht hatte, mit Henrika ein belangloses Gespräch zu führen, gab er es nach mehreren einsilbigen Antworten auf. Selbst auf seine Ankündigung hin, einen kurzen Halt auf seinem Gut Liestmunde einzulegen, zuckte sie nur mit den Schultern. Also schwiegen die drei Reiter und hingen ihren Gedanken nach. Erst Henrikas Schrei ließ Randolf auffahren, doch da lag Folkmar bereits auf dem staubigen Boden, während sein Pferd sich rasch wieder hochrappelte.
Randolf und Henrika, die ein paar Meter hinter Folkmar geritten waren, bemerkten gleichzeitig das Seil, das genau in dem Augenblick, als Folkmar die Stelle passiert hatte, straff gespannt war und jetzt wieder flach im Dreck lag. Im selben Augenblick, als Randolf sein Schwert
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