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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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rein gefühlsmäßig sieht. Sie lebt in mir für ihn weiter, und meine Großmutter schweigt sie tot. Nur ein einziges Mal hat sie meinem Drängen nachgegeben, mich dann aber angefahren, dass sie große Schuld auf sich geladen hat und es nicht erträgt, über ihre Tochter zu sprechen. Onkel Goswin weicht mir ebenso aus wie sein Bruder, den ich sowieso nur alle paar Jahre sehe. Also, wie steht es mit Euch?«
    Randolf erhob sich langsam und ließ den Blick in die Ferne schweifen. »Ich denke, die genaue Beschreibung Eurer Mutter steht nur dem verehrten Münzmeister zu. Wenn Ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet, ich muss nach meiner Frau sehen.«
    Nach einer kurzen Verbeugung verschwand Randolf in Richtung seines Hauses und ließ die völlig verwirrte Henrika zurück.
    Erst beim Abendessen sollten sie sich wiedersehen, denn der Ritter hatte sich nach Auskunft seiner Frau, mit der Henrika einen kleinen Spaziergang unternommen hatte, um die Angelegenheiten einiger Pächter zu kümmern. Sein Land umfasste siebenhundert Hufen und war ein Geschenk des verstorbenen Erzbischofs Adalbert an das frisch vermählte Brautpaar vor vier Jahren.
    Henrika fand die Herrin des Gutes auf den ersten Blick sympathisch und war der Meinung, dass niemandanders empfinden konnte, denn Betlindis war ein gutherziger Mensch, dem schlechte Gedanken fremd waren. Randolfs Frau dagegen hatte großes Mitleid mit Henrika und kümmerte sich rührend um das Wohlbefinden ihres Gastes. Um die Mittagszeit zog sie sich gemeinsam mit ihrem vierjährigen Sohn, einem entzückenden, aufgeweckten Jungen, für eine Weile zurück, um sich auszuruhen, da sie nach der letzten Fehlgeburt noch immer sehr geschwächt war. Henrika nutzte die Gelegenheit, um nach Folkmar zu sehen. Der junge Mann war in einem kleinen Raum im Obergeschoss gleich neben ihrem Zimmer untergebracht.
    Seine Freude über ihre Besorgnis war offensichtlich, und er wehrte ihren Dank entrüstet ab. Sie unterhielten sich eine Weile über belanglose Dinge, doch bei der nächstbesten Gelegenheit erkundigte er sich nach Gunhild, und Henrika musste ein Schmunzeln unterdrücken. Das Abendessen nahm Folkmar nicht mit den anderen zusammen in der kleinen Empfangshalle ein, da ihm das Aufstehen noch immer Schmerzen bereitete, und so verabschiedete Henrika sich von ihm bereits am frühen Nachmittag. Den Rest des Tages erkundete sie das Gut und ertappte sich dabei, dass sie Betlindis um ihr Leben beneidete.
    Beim Abendmahl waren sie zu viert, denn auch der kleine Herwin speiste mit ihnen, und als Randolf seine Gemahlin zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange hauchte, versetzte es Henrika einen Stich. Entsetzt darüber und völlig durcheinander, versuchte sie, alle weiteren Gedanken an Randolf zu verdrängen, was ihr mehr schlecht als recht gelang.
    Deshalb war sie sehr froh, als sie sich endlich zurückziehen konnte, obwohl ihre Gastgeber sie drängten, ihnen nach dem Essen noch ein wenig Gesellschaft zuleisten. Müdigkeit vorschützend floh sie fast in ihre Unterkunft und legte sich auf ihr Bett. Kurze Zeit später hörte sie die leisen Schritte von Betlindis, deren Kemenate sich auf demselben Stockwerk befand. Es war nicht mehr ganz so heiß wie die Tage zuvor, doch Henrikas Gedanken schlugen Purzelbaum und hinderten sie am Einschlafen, wobei nicht nur die Frage nach ihrer Augenfarbe sie beschäftigte.
    Als sie einige Zeit später erneut jemanden die Treppe heraufkommen hörte, erhob sie sich leise von ihrer Bettstatt und schlich zur Tür. Die Fähigkeit, lautlos über den Boden zu huschen, hatte sie ebenfalls von Hemma geerbt, doch das konnte ihr niemand erzählen. Vorsichtig öffnete Henrika die schwere Tür gerade so weit, dass sie in den spärlich beleuchteten Flur hinausspähen konnte. Fast gleichzeitig sah sie Randolf, der bis zur Kemenate seiner Frau ging. Dort blieb er stehen, umschloss den Türgriff und hielt in der Bewegung inne. Die Fackel, die den langen Flur erhellte, hing direkt neben Betlindis’ Gemach, und so konnte Henrika deutlich erkennen, wie er die Hand zur Faust ballte und nach kurzem Zögern eine Tür weiter ging. Gleich darauf war er dahinter verschwunden.
    Henrikas Herz klopfte laut, als sie den Riegel leise wieder zuschob. Zu ihren guten Eigenschaften hatte sie bisher immer den Gleichmut gezählt, doch der schien sich augenblicklich in Luft aufgelöst zu haben.
    Am nächsten Tag kamen sie gut voran. Die große Hitze schien sich endgültig verabschiedet zu haben, und es zeigten

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