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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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wieder verloren, aber solange noch ein Funke Leben in diesem kaputten Körper steckt, so lange werde ich für das kämpfen, was mir zusteht. Genauso hat es Euer Großvater gehalten.«
    »Was ist mit dem unsäglichen Gerücht, dass mein Großvater Einnahmen aus der ihm anvertrauten Silbermine unterschlagen haben soll? Wart Ihr daran ebenfalls beteiligt?«, fragte Henrika zögernd, denn trotz allem empfand sie seltsamerweise keinen Hass auf den Grafen. Otto sah zwar keineswegs gut und durchweg sympathisch aus, strahlte jedoch eine gewisse Würde aus.
    Otto von Northeim schüttelte bedauernd den Kopf. »Davon weiß ich nichts, außer dass mein Vetter sicherlich die Vorwürfe gestreut hat. Aber ich habe keinerlei Beweise, und auch sein Sohn konnte in der Hinsicht nicht weiterhelfen. Denn ich habe damals durchaus versucht, wenigstens das Andenken an den Goslarer Vogt wiederherzustellen.«
    »Dietbert von Hanenstein«, höhnte Henrika mit ungewohnt schriller Stimme. »Gehörte sein Antrag ebenfalls zu Eurer Vorstellung von Wiedergutmachung?«
    Verblüfft starrte der Graf die junge Frau an. »Antrag?«, wiederholte er offensichtlich verwirrt. »Er hat mir gegenüber nichts erwähnt, als ich ihn das letzte Mal gesprochen habe, so dass ich wohl davon ausgehen darf, dass Ihr ihn nicht erhört habt.«
    Er schien keine Antwort zu erwarten, denn sein Blickschweifte ab, und eine Zeitlang herrschte Schweigen zwischen ihnen.
    Dann räusperte der Graf sich umständlich und fuhr fort: »Dietbert ist zwar nicht mit dem gleichen abgrundtief bösen Charakter geschlagen wie sein Vater, aber ich muss sagen, dass ich froh über die Ablehnung bin. In Anbetracht dessen, was vorgefallen ist, fände ich es moralisch nicht vertretbar.«
    Graf Otto erhob sich und verbeugte sich steif. Er schien Schmerzen zu haben, da er dabei fast unmerklich das zerfurchte Gesicht verzog. Plötzlich empfand Henrika Reue wegen ihres schroffen und teilweise sogar beleidigenden Tons. Ihre Entschuldigung quittierte ihr Gegenüber mit einem freundlichen Lächeln.
    »Wir werden am Nachmittag abreisen, und ich würde mich freuen, wenn Ihr Euch dazu entschließen könntet, uns bis dahin doch noch Gesellschaft zu leisten.« Damit drehte er sich um und ging hinaus, ohne ihre Antwort abzuwarten.
    Um die Mittagszeit saßen Betlindis, Herwin und Henrika zusammen mit den beiden Besuchern in dem gemütlich eingerichteten Raum an dem Tisch direkt neben dem Eingangsbereich und nahmen eine dünne Suppe zu sich. Betlindis’ Vater hatte ein üppiges Mahl abgelehnt, da sie einen längeren Ritt vor sich hatten und er der Ansicht war, das Reiten mit vollem Bauch sei unnötig anstrengend. Betlindis hatte kein Wort über Henrikas seltsames Verhalten verloren, als ihre Freundin zu ihnen heruntergekommen war, und Henrika war ihr dafür sehr dankbar. Die Unterhaltung verlief ungezwungen, da sie nur über unverfängliche Themen redeten. Erst als Betlindis’ Vater sich nach Randolf erkundigte, fiel Henrika auf, dass er den Tonfall leicht änderte.
    »Hat dein Gatte die Ausbildung seines Knappen wiederaufgenommen,nachdem Folkmars Vater ihn nicht mehr benötigt? Wo steckt Randolf eigentlich? Es gefällt mir ganz und gar nicht, wenn er dich neuerdings so lange alleine lässt.«
    Betlindis’ frohe Stimmung veränderte sich schlagartig, und in ungewohnt angriffslustigem Tonfall erwiderte sie: »Ihr wisst genau um die Verpflichtungen meines Gatten beim König, Vater! Sein letzter Brief hat mich vor drei Wochen aus Worms erreicht, aber ob er sich immer noch dort aufhält, vermag ich nicht zu sagen. Folkmar hat sich mit seinem Verhalten leider in eine äußerst unsichere Lage gebracht, denn er hat, ohne die Erlaubnis seines Vaters einzuholen, eine junge Frau geehelicht, die nicht seinem Stand entspricht. Ihre Familie trifft keine Schuld, und die Leute leiden schwer an dem, was ihre Tochter ihnen aufgeladen hat. Kurioserweise handelt es sich bei dem Vater von Folkmars Frau um den Onkel von Henrika.«
    Überrascht und eine Spur belustigt, musterte Graf Otto die junge Frau, enthielt sich zu ihrer Erleichterung aber einer Bemerkung. Dafür war sie völlig entgeistert, als sie die Erwiderung Graf Hermanns vernahm.
    »Nun, wahrscheinlich trifft den armen Folkmar nicht die ganze Schuld, möglicherweise hat nur die Eigenart deines Mannes auf ihn abgefärbt«, bemerkte er zwischen zwei Löffeln Suppe.
    Henrika sah schnell zu ihrer Freundin hinüber, die mit bleichem und angespanntem Gesicht vor ihrer

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