Die Tochter des Münzmeisters
halbvollen Schale saß und merklich um Fassung rang.
»Wirklich, Vater, das könnt Ihr beim besten Willen nicht miteinander vergleichen! Ich möchte nie wieder so eine Unterstellung hören«, presste Betlindis hervor, dann legte sie den Holzlöffel zur Seite und die Hände in den Schoß.
In der spannungsgeladenen Atmosphäre fühlten sichauf einmal alle am Tisch offenkundig unwohl. Nur Herwin, der dank seiner Jugend vor solch spitzfindigen Bemerkungen geschützt war, löffelte geräuschvoll weiter.
»Verzeih mir, mein Kind, und sieh es mir wegen meines fortgeschrittenen Alters nach, dass ich manchmal solch ein Geschwätz von mir gebe. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Betlindis entspannte sich zögernd, und auch Henrika zwang sich weiterzuessen. Sie würde später vielleicht einmal auf die Bemerkung zurückkommen.
Am frühen Nachmittag war die Reitergruppe wieder vollständig zum Aufbruch am Tor versammelt. Als einziger der zehn Männer saß Graf Hermann noch nicht auf dem Pferderücken.
»Gib gut auf dich acht, meine Tochter, und natürlich auch auf meinen Enkelsohn, damit er groß und kräftig wird. Bestell auch Randolf einen Gruß von mir und denke an das, was ich dir gesagt habe. Verlasse unter keinen Umständen in den nächsten Wochen das Gut, ich bitte dich inständig darum!«
Betlindis nickte ernst, und die beiden umarmten sich innig. Dann verbeugte der Vater ihrer Freundin sich mit einem freundlichen Lächeln vor Henrika und saß als Letzter der Gruppe auf. Henrika fühlte sich beobachtet und sah zu dem Grafen von Northeim auf, der ihren Blick festhielt, sein Pferd näher an sie heranlenkte und sich leicht zu ihr herabbeugte.
»Kümmert Euch um die Familie Eures Onkels«, bat er sie zu ihrem großen Erstaunen eindringlich.
Bevor sie etwas erwidern konnte, verließ die Gruppe im Schritt den Hof. Kurz danach trabten sie in flottem Tempo an, dass der Matsch nur so durch die Luft spritzte.
Den Rest des Tages vermied Henrika es, auf die Fragenzu sprechen zu kommen, die sie noch immer bewegten, denn Betlindis war nach dem Abschied von ihrem Vater schwermütig und zog sich in ihre Kemenate zurück. So oblag es Henrika, den enttäuschten Herwin ein wenig zu erheitern, der wegen der Anweisung seines Großvaters bis auf weiteres auf den langersehnten Ausritt verzichten musste. Henrika konnte dem Jungen auf seine bohrenden Fragen keine zufriedenstellenden Antworten geben, schließlich kannte sie den Grund selbst nicht und musste noch länger auf Aufklärung warten, als sie gehofft hatte. Betlindis klagte die nächsten beiden Tage nämlich über starke Kopfschmerzen und verließ ihr Bett überhaupt nicht mehr.
Erst einige Zeit später sorgte ein unerwarteter Besucher letztendlich dafür, dass Betlindis wieder auflebte und von einem Moment auf den anderen vor Fröhlichkeit sprühte. Henrika dagegen stürzte er in tiefe seelische Qualen.
Einen Tag, nachdem sowohl die Königinmutter als auch Herzog Rudolf mit ihrem Gefolge, zu dem auch Brun gehörte, wieder abgereist waren, machte Randolf sich ebenfalls auf den Weg.
Auf den König wartete noch viel Arbeit, doch die wichtigsten zwei Aufgaben lagen hinter ihm. Nachdem er seinen Schwager notgedrungen von aller Schuld freigesprochen hatte, zwang er Abt Robert von der Abtei Reichenau unter päpstlichem Druck dazu, seinen Hirtenstab zurückzugeben. Wie so oft in letzter Zeit ging es auch hier um die Anschuldigungen der Simonie, die der Heilige Vater vehement bekämpfte und damit immer öfter den Plänen Heinrichs in die Quere kam, der die wichtigen Kirchenstühle gerne mit Menschen besetzte, die ihm ergeben und nützlich waren.
Randolf beugte den Kopf und zog die Kapuze tiefer ins Gesicht, um sich gegen das starke Schneetreiben zu schützen, das seit den frühen Morgenstunden tobte. Die Landschaft, durch die er ritt, war ohne klare Konturen, denn die Sträucher lagen unter einer dicken Schneedecke verborgen. Die Umgebung schien in einem eisigen Schlaf gefangen zu sein, und die dunklen Äste der kahlen Bäume ragten wie klagende Arme in die Luft. Randolf hoffte, dass er sein nächstes Ziel, ein kleines Kloster, das ihm für die Nacht Schutz bieten sollte, vor Einbruch der Dunkelheit erreichte. Dennoch würden mehrere Tage vergehen, bis sein eigentliches Ziel vor ihm lag. Und obwohl er sich dagegen wehrte, konnte er die Freude über das baldige Wiedersehen nicht völlig unterdrücken.
Mit klammen Fingern, die in dicken Lederhandschuhen steckten, lenkte er seinen
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