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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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ätherisch, zumal die Wangenknochen in ihrem blassen Gesicht stark hervortraten. Der erste Eindruck wurde allerdings durch den kleinen, fast runden Mund gemildert, dessen volle Lippen an den Rändern von feinen Falten durchzogen waren. Aus ihren eng beieinanderstehenden braunen Augen musterte die Kaiserin mit klarem Blick den Gast, der sich in ihrer Gegenwart keineswegs unwohl fühlte.
    Randolf kannte Agnes ebenso lange wie den König, wenngleich er sie seit der Schwertleite Heinrichs nicht mehr gesehen hatte, denn kaum hatte die Königinmutter die Herrschaft an ihren mündigen Sohn abgegeben, hatte sie sich nach Rom in den Schoß der Kirche zurückgezogen.Als Randolfs Blick an dem durchsichtigen weißen Schleier hängen blieb, der ihre fast grauen Haare bedeckte, glomm für einen kurzen Moment die Erinnerung an ihre Schleiernahme im November des Jahres 1061 im Dom zu Speyer auf. Randolf wusste, dass Agnes sich bereits zu dem Zeitpunkt gerne ganz von ihren weltlichen Aufgaben zurückgezogen hätte, einzig ihr ausgeprägtes Pflichtgefühl sowie die Sorge um das Reich und ihren Sohn, der sich zu dem Zeitpunkt noch immer in der Obhut des Erzbischofs von Köln aufhielt, hatten sie dazu bewogen, diesen Schritt weiter hinauszuschieben.
    »Ihr habt gestern bei meiner Ankunft einen äußerst überraschten Eindruck gemacht, werter Randolf, sind die Gerüchte etwa nicht bis zu Euch vorgedrungen?«, fragte sie in ihrer unaufdringlichen und dennoch bestimmten Art.
    »Nein, Euer Majestät, ich war unterwegs und bin erst gestern kurz vor Euch hier angekommen. Aber ich freue mich außerordentlich über die Gunst, Euch wieder einmal sprechen zu dürfen. Wenn ich mir erlauben darf, Ihr seht noch ganz genauso aus wie bei unserem letzten Treffen vor sieben Jahren.«
    Agnes lachte kurz auf. »Was für eine Schmeichelei, Herr Randolf! Wenn jemand anderes diese Worte gesagt hätte, wäre ich geneigt, sie nicht zu glauben, Eure Ehrlichkeit dagegen habe ich schon immer geschätzt.« Dann wurde sie wieder ernst, und das kurze Strahlen war aus ihren Augen verschwunden. »Das letzte Mal haben wir uns am Tag der Mündigkeit meines Sohnes gesehen, und die Erinnerung daran schmerzt mich noch immer, denn schon damals habe ich gewusst, dass der König keine leichte Zeit haben wird.«
    Ihre sonst so klaren Augen bekamen einen abwesendenAusdruck, und Randolf ahnte, dass sie an den furchtbaren Moment dachte, an dem der unlängst für mündig erklärte fünfzehnjährige König sein soeben empfangenes Schwert wie aus heiterem Himmel einen Wimpernschlag später gegen seinen Entführer von Kaiserswerth und langjährigen Vormund erhoben hatte. Einzig dem schnellen und mutigen Eingreifen der Kaiserin war es zu verdanken, dass der Erzbischof Anno von Köln mit dem Schrecken davongekommen war.
    Agnes schloss für einen Moment die Augen, danach kam ihr klarer und freundlicher Blick wieder zum Vorschein. »Ich habe die Geschicke des Reiches mit Hilfe fähiger Berater nach bestem Wissen und Gewissen bis zur Mündigkeit meines Sohnes gelenkt, auch wenn mein engster Vertrauter Papst Viktor leider schon ein Jahr nach dem Tod meines Mannes verstorben ist. Ohne selbstgerecht zu klingen, kann ich wohl behaupten, dass es bis Kaiserswerth, als man mir die Verantwortung für das Reich und meinen Sohn gegen meinen Willen aus der Hand nahm, ruhige und gute Jahre waren. Und jetzt?«
    Sie hob die Arme und streckte die schmalen Hände hoch in die Luft, wobei sie den Kopf leicht in den Nacken legte. Schließlich fielen ihre Arme schlaff herunter, und sie musterte Randolf bedauernd.
    »Und jetzt«, wiederholte sie, »herrschen Streit und Unzufriedenheit in allen Lagern. Damals habe ich Graf Otto von Northeim das Herzogtum Baiern übertragen, und er hat die südöstliche Grenze unseres Reiches erfolgreich gegen die Ungarn verteidigt. Sein Verhalten gegenüber dem salischen Königshaus war immer von Loyalität geprägt, und dann muss ich vor zwei Jahren von den erhobenen Anschuldigungen gegen den sächsischen Fürsten erfahren. Die kriegerischen Auseinandersetzungenzwischen dem König und ihm haben mit der Unterwerfung des Northeimers im letzten Jahr zum Glück ein Ende gefunden. Doch welche Konsequenzen und welch große Verluste haben sie mit sich gebracht? In meinen Augen war es ein Fehler, Graf Otto lediglich aufgrund der Aussage eines Adeligen niederen Standes und von äußerst zweifelhaftem Ruf die Herzogwürde zu entziehen und ihn mit dem königlichen Bann zu

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