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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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sollte.
    Kurz vor Einbruch der Dunkelheit hatte er den Burgberg erreicht, und notgedrungen verschob er den Besuch in der kleinen Siedlung am Fuße des Berges auf den nächsten Morgen. Trotz des besseren Wetters war er durchgefroren und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, sein warmes, mit Ziegenfell gefüttertes Wams in der Hütte des Köhlers zurückzulassen. Dann wieder schalt er sich einen eigensüchtigen Kerl, denn er dachte an die elende Hütte, in der Wilhelm leben musste, und sah dessen verschlissenen Kittel vor sich. Er würde sich hier ein neues Wams zulegen, außerdem wartete in Kürze eine warme,sättigende Mahlzeit auf ihn, so dass er sich kaum beklagen durfte.
    Die schmatzenden Laute, die durch die Huftritte seines Pferdes entstanden, bezeugten ebenfalls das Ende des Winters, denn die Sonnenstrahlen hatten den Schnee auf dem Weg bereits schmelzen lassen und die obere Schicht des Bodens in einen schlammigen Untergrund verwandelt. Da die Erde darunter noch gefroren war, lief Randolfs Pferd immer wieder Gefahr, den Halt zu verlieren, deshalb war der Ritter mehr als erleichtert, als er das Tier endlich im Burghof einem herbeieilenden Jungen übergeben konnte.
    Müde bahnte sich Randolf seinen Weg zu dem zweiflügeligen Wohnturm, der sich in östlicher Richtung direkt neben der Außenmauer von Heinrichs Palas befand. Hier war nicht nur ein großer Teil der Führungsriege der Burgbesatzung untergebracht, sondern auch Gäste bekamen in diesem Haus ihre Unterkunft zugewiesen. Normalerweise warteten mehrere Strohmatten nebeneinander in einem kalten Raum auf die Gäste, und Randolf hatte es allein seiner besonderen Stellung zu verdanken, dass er eine eigene kleine Kammer zugewiesen bekam. Eine ältere Magd brachte ihm eine Decke aus grober Wolle für die Nacht und huschte gleich darauf wieder aus dem Raum.
    Sein Magen knurrte unterdessen so laut, dass Randolf beschloss, sein Nachtlager später zu richten. Daher wusch er sich nur schnell Gesicht und Hände mit dem Wasser aus einer tönernen Schüssel, die auf einem kleinen Schemel stand. Danach griff er in seine Tasche, in der sich neben dem Brief Heinrichs, der ihn als königlichen Boten auswies, auch noch ein paar Münzen und je ein Geschenk für seinen Sohn und seine Gemahlin befanden, und verließ ebenfalls seine Unterkunft.
    Da er im Obergeschoss untergebracht war, musste er über eine breite, stabile Holztreppe hinunter ins Erdgeschoss gehen, wo man sich zum Essen traf. Als er in die große Halle trat, saßen bereits mindestens fünfzig Männer an den langen, groben Holztischen und aßen lärmend. Zu Randolfs großem Erstaunen war der Burgvogt mitten unter seinen Leuten, anstatt alleine in seinem Gemach zu speisen.
    Randolf kannte den schwäbischen Ministerialen Erchanger von Hadersgraben bereits seit zwei Jahren und konnte ihn von Anfang an nicht leiden. Viel zu sehr nutzte der aus niederem Landadel Stammende seine Stellung aus, indem er zuließ, dass die Bevölkerung geknechtet wurde, und nicht selten erteilte er sogar die Anweisung dazu. Nur so konnte er seinen aufwendigen Lebensstil, den er auch während der Abwesenheit Heinrichs pflegte, aufrechterhalten. Randolf hatte den Mann bereits einige Male bei ausschweifenden Gelagen beobachtet, während die einfachen Menschen draußen vor den Burgmauern ebenso hungerten wie die Bediensteten dahinter. Leider unterstand von Hadersgraben direkt dem König, und der teilte Randolfs Bedenken bisher nicht.
    Wenigstens an diesem Abend handelte es sich um ein gewöhnliches Essen, wenngleich üppige Mengen auf den Tischen standen und ein Spielmann auf seiner Drehleier im Hintergrund seinen musikalischen Beitrag leistete.
    Randolf ging auf direktem Weg zum Vogt, der sein Herannahen zu spät bemerkte. In einer Hand hielt er einen fast abgenagten Knochen, der den Ritter an einen Hühnerschenkel erinnerte, in der anderen eine dicke Scheibe Brot. Das Fett lief ihm über die Finger und ließ den fleischigen, behaarten Handrücken im Licht der Kerze vor ihm glänzen.
    Mit offenem Mund starrte der Burgverwalter Randolf an, als der Ritter sich neben ihn stellte, denn genau in dem Augenblick wollte der beleibte Mann erneut in das Fleisch beißen. Mit Ekel musterte Randolf das weiche, runde Gesicht des Vogts, dessen Mund ebenfalls vor Fett glänzte, und bemerkte verwundert, dass sein eigener, eben noch großer Hunger fast verschwunden war.
    Belustigt stellte der Ritter zum ersten Mal fest,

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