Die Tochter des Münzmeisters
gedankenverloren in sein braunes Hemd aus grober Wolle, das fast alle Männer hier trugen. Dann zog er einen großen Schlüssel aus der Tasche.
»Scheint ja in Ordnung zu sein, obwohl es schon ein wenig ungewöhnlich ist. Der Gefangene darf eigentlich keinen Besuch bekommen«, murmelte er, während er mit einem leichten Knirschen den Schlüssel im Schloss drehte und die Tür öffnete.
Randolf zwängte sich an dem übel riechenden Wärtervorbei, der zwar einen guten Kopf kleiner war als er, dafür jedoch mindestens doppelt so breit und von äußerst kräftiger Statur.
»Ich muss aber die Tür offen lassen und Euch im Auge behalten, so lautet mein Befehl.«
Ohne dem Mann eine Antwort darauf zu geben, betrat Randolf die kleine Zelle, die sich gleich am Anfang des Kellergangs neben der Wachstube befand. Der Gang führte eine Treppe hinunter, und Randolf schob den Gedanken an die anderen, tiefer liegenden Verliese zur Seite. In die Zelle fiel immerhin noch etwas Tageslicht durch einen schmalen Schlitz im Mauerwerk. Es war kalt und roch leicht abgestanden, trotzdem hatte Randolf schon schlimmere Gefangenenunterkünfte zu Gesicht bekommen, denn es gab immerhin einen kleinen Tisch mit einem dreibeinigen Schemel davor. Allerdings handelte es sich hier auch nicht um einen gewöhnlichen Arretierten, sondern um einen politischen Häftling mit dem Anspruch auf den sächsischen Herzogtitel.
In einer Ecke befand sich die Schlafstätte, die aus einer dicken Lage frisch aussehendem Stroh und zwei warmen Wolldecken bestand. Das Licht einer kleinen Öllampe verbreitete einen zaghaften Schein, durch den die Umgebung ein wenig freundlicher wirkte. Vor dem Tisch stand in stolzer Haltung, die in dieser Umgebung mehr als seltsam wirkte, Magnus Billung, der rechtmäßige Herzog von Sachsen.
»Randolf von Bardolfsburg!«, stieß der Gefangene überrascht aus. »Mit Euch habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Was darf ich Euch anbieten? Vielleicht einen Schluck von dem köstlichen Wasser, das ich gestern erhalten habe? Leider hat mein Personal gerade frei, so dass ich Euch bitten muss, Euch selbst zu bedienen«, sagte er spöttisch und wies mit einer einladenden Handbewegungauf den Krug, der sich auf dem wackeligen Tisch befand.
»Euer Hoheit, es freut mich, Euch immer noch bei guter Gesundheit zu sehen«, entgegnete Randolf mit einer tiefen Verbeugung und bemerkte mit Genugtuung, dass seine Begrüßung bei Magnus Verwirrung hervorrief.
Der Gefangene hatte sich bemerkenswert schnell wieder im Griff. »Es tut mir sehr leid, wenn ich Euch enttäusche. Ich bin nun mal von äußerst zäher Natur, wie Euch bekannt sein sollte.«
Randolf wusste, worauf Billung anspielte, aber er ging nicht darauf ein. Der Hinweis bezog sich auf eine Auseinandersetzung zwischen ihm und dem jungen Herzog, die kurz nach seiner Hochzeit mit Betlindis stattgefunden hatte. Magnus hatte ihn wutentbrannt mit dem Schwert angegriffen, woraufhin Randolf sich verteidigen musste. Wäre Betlindis nicht aufgetaucht, hätte der Kampf mit Sicherheit für einen von beiden mit dem Tode geendet. Randolf hatte angenommen, dass der Hass seines Widersachers auf ihn mit der unschönen Familiengeschichte zusammenhing, doch seine Gemahlin hatte ihm zögernd gestanden, dass ihr Vetter von jeher ein wenig in sie verliebt war. Beide Männer hatten aus dem Kampf Narben zurückbehalten.
»Im Gegenteil, ich bin mehr als erleichtert zu sehen, dass auch eine fast zweijährige Haftzeit Euren Willen nicht gebrochen hat. Nur wenige Menschen besitzen nach so langer Zeit noch ihren Stolz«, gestand er stattdessen.
»Danke für die schmeichelnden Worte, allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass auch Ihr zu diesen Menschen zählt. Doch bevor Ihr zu dem eigentlichen Grund Eures Besuchs kommt, sagt mir bitte, wie geht es meiner Base? Ist sie wohlauf? Und ihr Sohn? Ist er schon tüchtiggewachsen oder noch immer so ein zartes Bürschchen wie vor über zwei Jahren?«
Heftiger als gewollt konterte der Ritter: »Unserem Sohn geht es gut, danke der Nachfrage, auch wenn er vom Körperbau her seiner Mutter nachschlägt, die bei unserem letzten Treffen ebenfalls wohlauf war.«
Mit einem Mal fiel der arrogante Ausdruck von Magnus ab, und das Gesicht des fast Dreißigjährigen wirkte müde und ausgezehrt, was die wächserne Blässe noch verstärkte. Randolf fragte sich, wie oft der Vetter seiner Frau während seiner Haft wohl ans Tageslicht gekommen war. Auch wenn es ihm anscheinend an kaum etwas
Weitere Kostenlose Bücher