Die Tochter des Münzmeisters
vermischt hatte, bis ihre Lippen in einem sehnsüchtigen Kuss zusammenfanden.
Äußerst widerstrebend löste sich Esiko nach einer Weile von Hemma und half ihr hoch, so dass sie sitzen konnte. Das Ganze gestaltete sich allerdings ein wenig schwierig, da sie ihn immer noch umklammerte, bis er ihre Umarmung sanft löste.
»Was ist passiert? Warum hast du dich von deinen Brüdern getrennt?«, fragte er in das Prasseln des Regens hinein.
Hemma hatte sich gegen einen dicken Holzblock gelehnt und griff nach seiner Hand. »Goswin wollte Brun dichter an sich heranziehen, dabei wurde ich von der Menge weggerissen. Ich bin über den Saum meiner Kotte gestolpert und hingefallen. Alle sind über mich hinweggetrampelt, so dass ich es nicht mehr geschafft habe, aufzustehen.«
Hemma wollte ihn wieder zu sich heranziehen, doch Esiko wich nicht von seinem Platz. Im Halbdunkel ihres Verstecks konnte sie sehen, wie er den Kopf schüttelte.
»Es hat doch keinen Sinn. Wir machen es uns nur unnötig schwer, wenn wir unseren Gefühlen in diesen unverhofften Minuten nachgeben. Tut dir irgendetwas weh?«
Mit enttäuschter Miene ließ Hemma den Arm sinken und murmelte: »Nein.«
Es zerriss ihm fast das Herz, als er sie so niedergeschlagen vor sich sitzen sah. Vor allem, weil er nun die Gewissheit hatte, dass sie genauso für ihn empfand wie er schon seit langem für sie. Aber er wusste, dass der Schmerz noch größer sein würde, wenn sie der Versuchung nachgeben würden.
»Versteh doch, irgendwo da draußen ist dein zukünftiger Ehemann! Du bist die Tochter des Vogts, und ich bin ein Niemand! Auf mich würde der Strang warten, du dagegen hättest deine und die Ehre deiner Familie beschmutzt.«
Angriffslustig blickte Hemma zu ihm auf. »Ich hätte nicht gedacht, dass du so ein Angsthase bist!«
Esiko spürte die Wut in sich aufsteigen, doch gerade als er sie packen und ihr das Gegenteil beweisen wollte, merkte er, dass der Regen nachgelassen hatte und das Gewitter sich zu entfernen schien. Offenbar hatten sie in ihrer aufgewühlten Stimmung nicht bemerkt, dass sich die Lage gebessert hatte.
Aufgeregte Stimmen waren zu hören, die sich langsam näherten, und gleich darauf riss jemand die Tür der kleinen Hütte auf. Esiko kniff wegen der ungewohnten Helligkeit die Augen zusammen, und als ausgerechnet der Mann in der Türöffnung erschien, dessen Gesicht er am liebsten vergessen hätte, konnte er nicht rechtzeitig reagieren. Eine Hand schnellte vor, packte ihn am Kragen und zog ihn heraus. Der Faustschlag erfolgte so schnell, dass Esiko es nicht einmal mehr schaffte, den Arm zum Schutz vors Gesicht zu heben. Im nächsten Moment lag er im Dreck und hörte Hemmas Schrei.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Henrika merkte, dass Goswin mit seiner fesselnden Erzählung geendet hatte, und es fiel ihr schwer, sich aus dem Bann seiner Worte zu lösen.
»Was ist damals geschehen? Wer hat Esiko geschlagen?«, bedrängte sie ihren Onkel.
»Der zukünftige Gemahl deiner Mutter«, antwortete Brun ruhig. Als er Henrikas erschrockenes Gesicht bemerkte, beeilte er sich, seine Aussage richtigzustellen. »Nicht dein Vater! Zu der Zeit war Hemma dem Pfalzgrafen Friedrich versprochen, einem Bruder des Erzbischofs Adalbert. Da fällt mir ein, der gute Mann ist vorein paar Monaten verstorben. Bekommst du denn weiterhin die Zahlungen?«, fragte er an Goswin gewandt, der kaum merklich nickte.
Brun grinste mit einem Mal breit und legte die Hand auf die ineinander verkrampften Finger seiner Nichte. »Deine Mutter war schrecklich wütend auf ihren Zukünftigen, das kannst du mir glauben. Sie hat mir später erzählt, dass sie Friedrich bei dem festlichen Essen am Abend wie Luft behandelt hat. Ich sehe sie noch vor mir, als wenn es gestern gewesen wäre. In ihrer neuen blauen Kotte, die unglaublich gut zu ihren Augen passte, wirkte sie am Arm unseres Vaters so zerbrechlich.« Brun stockte, und seine Miene war auf einmal sehr ernst, als er begann, Henrika von dem Teil zu erzählen, der ihm schon so lange auf der Seele lastete.
»Öffne augenblicklich die Tür!«, befahl Randolf und hielt dem schwerbewaffneten Wachposten die Anweisung des Burgvogts unter die Nase.
Der Mann besah sich sorgfältig das Schreiben, von dem ihm nur das Siegel etwas sagte, da er nicht lesen konnte, und zog die Nase hoch. Mit dem Handrücken wischte er sich den letzten Rest des Schleims weg, der sich in seinem dichten Oberlippenbart verfangen hatte, und schmierte den gelblichen Rotz
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