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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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ausreiten zu können, und hielt wie schon so oft am oberen Lauf der Gose an, um ihrem Pferd die Möglichkeit zu geben, seinen Durst zu stillen. Dabei entdeckte sie eine größere Anzahl von Büschen mit reifen Walderdbeeren und stieg ab. Es waren die ersten Früchte, die sie in diesem Jahr erspäht hatte, und auf einmal wurde ihr bewusst, dass schon Juni war. Rot und verführerisch lockten die Früchte, daher ging sie in die Hocke, schob sich zwei Beeren in den Mund und genoss deren Süße.
    Als Hemma hinter sich das Geräusch eines knackenden Zweiges vernahm, war es bereits zu spät. Ein Arm umfing sie, und gleichzeitig legte sich ihr eine behandschuhte Hand auf den Mund. Jemand zog sie grob hoch, und sie wehrte sich verzweifelt gegen den eisernen Griff. Allerdings konnte sie nur mit den Füßen nach hinten treten, mehr ließ die Umklammerung nicht zu.
    »Wenn Ihr nicht sofort damit aufhört, werde ich Euch sehr weh tun müssen.«
    Die Stimme mit dem eigenartigen Akzent hätte sie unter hunderten wiedererkannt. Als Antwort trat sie erneut heftig nach hinten. Dieses Mal hatte sie anscheinend Erfolg, denn ein unterdrückter Aufschrei erklang. Ihre Freude darüber währte allerdings nur kurz, denn der Angreifer löste die Umklammerung und nahm ihr linkes Handgelenk in einen schraubstockartigen Griff. Die Hand glitt von ihrem Mund, und gleichzeitig stieß der Mann sie in einer halben Drehung von sich fort.
    Alles geschah so schnell, dass sie vor Überraschung völlig vergaß zu schreien. Für einen Wimpernschlag sah sie sein brutales Lächeln, dann sackte sie auch schon zusammen und schnappte nach Luft. Der Schlag hatte sie völlig unvorbereitet getroffen, und Hemma hielt sich mit beiden Händen den Unterleib. Noch nie zuvor hatte jemand sie mit solcher Wucht geschlagen, und für einen kurzen Moment dachte sie daran, wie viele solcher Schläge Esiko wohl hatte aushalten müssen. Weiter kam sie nicht, denn Azzo, der Scherge Burchards von Hanenstein, griff nach ihrem Handgelenk und zog sie ruckartig zu sich hoch.
    »Reicht Euch das als Kostprobe? Es gibt viele Möglichkeiten, Euch weh zu tun, ohne dass nachher etwas davon zu sehen ist«, raunte er ihr zu.
    Hemma kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an, obwohl der Schmerz in ihrem Bauch langsam nachließ. Schließlich nickte sie schwach und rieb sich das schmerzende Handgelenk, denn er hatte sie im gleichen Augenblick losgelassen. Ihre Freiheit dauerte aber nur einen kurzen Moment, denn ihr Angreifer zog drei Tücher aus der Tasche, die er sich umgehängt hatte, und band eines davon über Hemmas Augen. Panisch zerrte sie daran und stöhnte quälend auf, denn Azzo hatte ihr den rechten Arm auf den Rücken gedreht. Mit roher Gewalt zog er nun auch den anderen Arm nach hinten und band beide Handgelenke zusammen.
    »Bitte, nicht auch noch den Mund. Ich werde nicht schreien, das verspreche ich«, stammelte Hemma verzweifelt, doch schon legte sich ein Tuch über ihre Lippen.
    Sie bekam einen Stoß und fiel der Länge nach hin. Da sie sich nicht abstützen konnte, schlug sie mit dem Kinn auf etwas Hartem auf und stöhnte erneut laut vor Schmerz. Hemma hörte Berath unruhig wiehern, dann vernahm sie Schritte, die sich von ihr wegbewegten, anschließend herrschte eine Zeitlang Stille. Sie vermutete, dass ihr Peiniger sein Pferd holen wollte, denn sie hatte nirgendwo eines gesehen.
    Die junge Frau nutzte ihre womöglich einzige Chance und versuchte hochzukommen, was sich allerdings als recht schwieriges Unterfangen erwies, da sie die Arme nicht zu Hilfe nehmen konnte und das lange Kleid sie zusätzlich behinderte. Hemma rollte sich auf die Seite und spürte etwas Hartes neben sich, von dem sie vermutete, dass es sich um einen Baum handelte. Sie kam zum Sitzen und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, so dass sie nach und nach auf die Knie kam, just in dem Moment, als sich ein Pferd in schnellem Galopp näherte. Gleichzeitig hörte sie eilige Schritte, und da sie nach wie vor nichts sehen konnte, stellte sie hektisch einen Fuß vor sich auf den Boden und drückte sich mit aller Kraft hoch. Leider trat sie dabei auf ihr Kleid und fiel erneut hin. Panik stieg in ihr auf, als die Hufe des Pferdes immer lauter auf dem Boden dröhnten. Fast schien das Tier sie erreicht zu haben, nur die Schritte, die sie ebenfalls vernommen hatte, waren unter dem Donnern der Hufe nicht mehr auszumachen.
    Plötzlich erklang ein lauter zorniger Schrei, und gleich darauf waren Kampfgeräusche zu hören.

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