Die Tochter des Münzmeisters
wo steckst du nur wieder?«
Gleich darauf kam Randolfs Frau aus dem Haus geeilt und blieb wie vom Donner gerührt stehen, als sie ihren Mann mit dem Jungen auf den Armen sah.
»Randolf!«, rief sie schluchzend und eilte ihm entgegen.
Henrika senkte betreten den Blick, dann wandte sie sich ab, um das traute Familienglück nicht weiter zu stören.
11. KAPITEL
D arf ich mich zu dir setzen?«, kam die zögernde Frage ihrer Freundin, und Henrika rutschte als Antwort zur Seite. Betlindis nahm auf der freien Stelle neben ihr Platz, und beide schwiegen eine Weile, während jede für sich die Aussicht betrachtete.
»Es tut mir leid, dass ich euch vorhin keine Gesellschaft geleistet habe, aber ich gehe davon aus, dass du mit deinen beiden Oheimen genug vertrauliche Dinge zu besprechen hattest.«
»Natürlich«, entgegnete Henrika.
Obwohl sie Betlindis sehr mochte, wollte sie jetzt lieber alleine sein, denn sie musste sich innerlich auf das Abendmahl vorbereiten, bei dem sie das Glück ihrer Freundin zum wiederholten Male äußerlich gelassen ertragen musste.
Betlindis schien noch nicht ganz zufrieden zu sein, denn sie druckste ein wenig herum, bis sie schließlich mit dem Rest herausrückte. »Meine Kopfschmerzen waren nur vorgeschoben, deshalb schäme ich mich auch ein wenig. Aber ohne Randolf fühle ich mich immer so hilflos! Selbst in der Gegenwart deiner Verwandten bin ich mir dumm und unsicher vorgekommen. Verzeih mir bitte. Du bist so stark und überzeugt von dem, was du tun musst! Ich wünschte, ich wäre ein bisschen wie du.« Randolfs Frau gab einen langen Seufzer von sich, dann erhob sie sich wieder. »Wir werden in einer halbenStunde essen, leistest du uns Gesellschaft?«, fragte sie leise.
»Natürlich«, antwortete Henrika erneut und wandte sich ihrer Freundin zu, auf deren Gesicht noch die Spuren der Freudentränen zu sehen waren. Der Anblick versetzte Henrika einen Stich, und sie musste sich zu einem Lächeln zwingen. Doch es verfehlte nicht seinen Zweck, denn Betlindis erwiderte es erleichtert.
Als ihre Freundin gegangen war, brannte in Henrikas Herz lichterloh das Gefühl der Scham. Sie schämte sich zutiefst, dass ihre Freundin ihr so bedingungslos vertraute, sie sogar ein wenig beneidete. Dabei hätte Betlindis allen Grund, sie vom Hof zu jagen! Zumindest, wenn sie Gedanken lesen könnte, aber zu Henrikas Glück war das eine Eigenschaft, die die gute Betlindis nicht besaß!
Das anschließende Essen verlief in ruhiger Atmosphäre, abgesehen von Herwin, der förmlich an den Lippen seines Vaters hing und ihn mit Fragen nach dem König löcherte. Randolf, der offensichtlich ein Bad genommen und den Bart frisch gestutzt hatte, beantwortete sie alle mit bewundernswerter Geduld.
Irgendwann fiel Henrika auf, dass Betlindis mit keinem Wort auf den Besuch der beiden Grafen zu sprechen kam, und sie nahm an, dass ihre Freundin den Ritter bereits unterrichtet hatte. Sie selbst war ebenfalls außergewöhnlich still, obwohl sie nicht davon ausgehen konnte, dass es dem Hausherrn auffiel, da sie sich seit ihrem letzten Treffen in Goslar nicht mehr gesehen hatten. Er konnte von der Veränderung, die in ihr durch die ganze Offenlegung ihrer Vergangenheit vorgegangen war, überhaupt nichts wissen.
Ironie des Schicksals könnte man es nennen, dachte Henrika, als ihr die Worte ihrer Freundin von vorhineinfielen. Die Wahrheit war nämlich, dass nicht Betlindis sie beneiden musste, sondern genau andersherum! Denn obwohl sie Randolf lange Zeit nicht gesehen hatte und wild entschlossen war, ihre Gefühle ihm gegenüber weiterhin zu unterdrücken, brachte seine Gegenwart sie völlig aus der Fassung. Nur mit Mühe konnte sie den Dingen folgen, von denen er berichtete. Erst als er auf die schwelende Unruhe, die in der sächsischen Bevölkerung und auch den Fürsten stetig brodelte, zu sprechen kam, siegte ihr Interesse am politischen Geschehen über ihre Verlegenheit, und als sie seine offensichtliche Freude über ihre Fragen bemerkte, konnte sie nichts gegen die verräterische Röte unternehmen, die ihre Wangen überzog.
Als das Mahl endlich beendet war, erhob sich Henrika, denn sie empfand ihre Person als störend, und wünschte eine angenehme Nachtruhe. Der Blick, den Betlindis daraufhin ihrem Mann zuwarf, verstörte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte.
Henrika ging nicht auf ihr Zimmer, sondern in den Stall, wie sie es seit Beginn ihres Aufenthaltes schon so oft getan hatte. Der Geruch der Pferde und die
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