Die Tochter des stählernen Drachen
in dem Ausmaß schwächer, wie sein Interesse an ihr schwand. »Es sind die Bücher.«
La Jettatura zu betreten war wie das Hineingehen in einen Traum. Die leise und dennoch aufdringliche Hintergrundmusik der Geschäfte des Einkaufszentrums wurde durch strukturierte Schichten der Stille ersetzt. Als sie sich an den pinienhohen Kleidergestellen vorbeidrückte, strich ihr prächtige weiche Vigogne an der Wange entlang. Hier war das stille Schimmern von Messing, dort das sanfte Rufen einer Handglocke. Alles hatte sich verschworen, die Sinne zu besänftigen. Dennoch zitterte die Luft vor Anspannung, als wäre ein Elfen-Lord im Begriff, den Raum zu betreten.
Anhand ihrer Beobachtungen der anderen Kunden hatte sich Jane ein Outfit zusammengestellt, mit dem sie nicht auffallen würde. Sie hatte ihre besten Jeans an den Knien und an drei Stellen oben an den Schenkel eingerissen, so daß die Fransen weiß und herausfordernd abstanden. Über einem schwarzen Spitzen-BH trug sie eine Bluse aus reiner Seide sowie eine Perlenkette, deren Einfassung abgenutzt genug war, daß die Kette ein Erbstück hätte sein können. Als Krönung des Ganzen hatte sie sich von Raven eine spitzenbesetzte Jacke ausgeliehen. Raven hatte die Jacke für einen Spottpreis während einer Studienreise in das Bergland von Lyonesse erworben.
Ein Hauch von Make-up vervollständigte ihr Erscheinungsbild. Als sie das Ergebnis im Spiegel musterte, kam Jane zu dem Schluß, daß sie die sichtbare Verkörperung eines Teggish-Mädchens mit Geld war, das versuchte, sich wie eine Elfengöre zu geben.
Die Faunhandschuhe lagen gleich vorn im Geschäft. Jane ging daran vorüber, ohne einen Blick darauf zu werfen, wie es ihre übliche Technik war. Sie verweilte über Spinnwebhemden, die bei der Berührung an den Fingerspitzen kleben blieben, und folgte dann einem langen gewundenen Gang, der an Herbstschals und Handtaschen im prächtigen braunen Farbton getrockneter Eichenblätter vorüberführte. Sie überraschte ein Eichhörnchen, das davonhüpfte und zwischen den Wollröcken verschwand.
Überall verspürte Jane den Druck kleiner heller Augen auf sich. Doch immer wenn sie sich umdrehte, befand sich das Verkaufspersonal in diskretem Abstand, hatte die Köpfe abgewandt und war gerade dabei, völlig zu verschwinden. Seine Aufmerksamkeit war vollkommen.
Das würde ganz bestimmt ein Diebstahl nach dem Muster ›Schnapp’s-dir-und-renn!‹ werden.
Auf der anderen Seite von La Jettatura, über den gepflasterten Korridor hinweg, lag eine Sackgasse mit Geschäftsbüros zu beiden Seiten. Sie konnte durch die Versicherungsfiliale stürmen, zur Hintertür wieder hinaus, um eine Ecke springen und dort in der Damentoilette verschwinden, sozusagen im Handumdrehen. Dann weiter in eine Kabine, auf die Toilettenschüssel steigen und hinaufklettern in die abgesenkte Decke. Von dort aus konnte sie in jedes von einem Dutzend Lokale hinausklettern. Sie hatte bereits eine Schallschutzplatte beiseitegeschoben und den Raum innen auf Trolle überprüft. Es würde lediglich Nerven und Geschwindigkeit erfordern.
Sie holte lang und langsam Atem, um sich zu beruhigen.
»Junge Miß.« Ein schlanker und respektvoller Elf in makelloser anonymer Kleidung berührte sie an der Hand. »Ich würde mich gern ein wenig mit Ihnen unterhalten.«
»Ich glaube wirklich nicht ...« Jane wollte sich abwenden, keuchte dann jedoch vor Schmerz, als sich die Hand fest um ihr Handgelenk schloß.
Sein entschuldigendes Lächeln reichte nicht bis zu den Augen. »Dort drüben wäre es gemütlich.«
Im Schatten einer meergrünen Marmorsäule standen zwei graue Plüschsessel. Ihr Fänger ließ Jane los, so daß sie sich hinsetzen konnte. Daraufhin setzte er sich ebenfalls und zupfte leicht an den Knien seiner Hose, damit sie nicht ausbeulten. Er stellte seinen Sessel so, daß er dem ihren gegenüberstand. Sie mußten wie alte Freunde ausgesehen haben, die ein vertrauliches Gespräch führten. »Mein Name ist Ferret. Ladendetektiv. Mir ist aufgefallen, daß Sie daran gedacht haben, etwas von unseren Waren zu stehlen.«
Jane tat entrüstet. »So etwas können Sie nicht behaupten, nur weil es für Sie den Anschein hat.«
»Nein? Wir alle zeigen mehr von uns selbst, als wir glauben. Wollen wir einmal sehen, welche untergründigen Signale bei Ihnen zu erkennen sind. Machen Sie sich nicht die Mühe, etwas abzustreiten. Dies ist nur eine Übung.« Einen Augenblick lang sah er sie fest an. Die Lider sanken tief über
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