Die Tochter des stählernen Drachen

ausdruckslos.
    Wütend rief sie: »Hör mit dem Scheiß auf! Ich weiß, was ich tue.« Im Hintergrund vernahm sie das undeutliche und nur unzulänglich unterdrückte Gemurmel von Drachen, deren Zorn eine Überzeugung mit sich trug, die stärker war, als jedes Wort es hätte ausdrücken können. Unmöglich, nicht darauf zu achten. Es war, als wäre Janes Knochen und Eingeweiden, den Organen und Gedärmen eine Stimme verliehen worden. »Für mich gibt es keine Zukunft. Mein ganzes Leben lang bin ich Teilnehmerin eines manipulierten Spiels gewesen. Die Würfel waren gefallen, und ich war zur Verliererin erklärt worden, noch ehe ich zu spielen angefangen hatte. Das sind keine leeren Worte! Hatte ich denn jemals eine Wahl? Doch, ja, eine Wahl hatte ich, nur diese eine, genau hier, genau jetzt. Ich kann die Niederlage demütig schlucken, oder ich kann das Spielbrett in die Luft werfen und alle Teile zerschmettern. Nun, ich bin vom ersten Tag an angeschissen worden - ich habe keinerlei Absicht, ein fairer Spieler zu sein.«
    Angespannt sagte Rocket: »Du kannst nicht durch das Traumtor zurückkehren. Es ist mir egal, was dein Drache gesagt hat. Es ist eine Lüge. Drachen lügen. Du weißt nicht, was dich auf der anderen Seite erwartet. Wenn du hinübergehst, wirst du ...« Abrupt erlosch sein Abbild. Aber Jane kannte Melanchthons Stromkreise zu genau, als daß er diesen Trick hätte anwenden können, »... für immer. Der weltliche Körper, den du zurückgelassen hast, lebt noch immer. Wie Gleiches nach Gleichem ruft. Du wirst direkt darauf zugezogen.«
    Die vor ihr wegströmenden elektromagnetischen Störungslinien flatterten wild, als kämpften sie gegen ein widerspenstiges Medium. »Ja, ja.«
    »Du wirst nicht wiederhergestellt.« Rockets Drache sagte über die Kopfhörer etwas zu ihm, und er schüttelte ungeduldig den Kopf. »Du wirst in deinem alten Körper gefangen sein. Keine Sprache, keine Reaktionen, keine Kommunikation irgendwelcher Art mit dem Draußen. Vielleicht keine Kontrolle über die eigenen Gedärme.«
    »Hör auf, dich wie ein Narr aufzuführen, du Arschloch.« Sie hatte nicht die Absicht gehabt, so harsch zu reden, aber das ständige Gemurmel der Drachen lenkte sie ab. Ihre herüberfließende Wut vereinigte sich mit der jäh wachsenden Anspannung ihres eigenen Drachen und bildete eine straff gespannte Saite der Angst in ihrem Blut. »Ich wollte einfach nur sagen - auf Wiedersehen. Ich wollte einfach nur sagen: kein böses Blut, ja? Das ist nicht viel. Aber du hast immer weitergeredet.«
    »Ich muß dafür sorgen, daß du zuhörst. Du weißt nicht ...«
    Sie schnitt ihm das Wort ab. »Ich weiß alles. Ich weiß das Schlimmste. Du kannst mir nichts Schlimmes erzählen - ich bin vom Baldwynn geküßt worden.«
    Melanchthon brüllte auf vor Wut und Erleichterung. Das hatte er vor ihr verbergen wollen: wenn sie Erfolg hätten, bestünde eine Fünfzig-Fünfzig-Chance für sie, anschließend in ihren ursprünglichen Körper zurückgeworfen zu werden. Wenn die Zerstörung weniger als universal wäre, würde sie den Rest ihres Lebens als Gefangene in ihrem eigenen fremden Fleisch verbringen. Aber das machte Jane nichts aus. Sie hatte es schon vor langer Zeit herausgefunden. Ihr Wille war fest und wankte nicht, ebensowenig wie der Wille des Drachen.
    »Ich versuche, dir zu helfen, du Närrin!« Endlich war Rocket wütend. »Du begehst einen schrecklichen Fehler!«
    »Mir helfen? Was hast du vor? Wenn ich jetzt umdrehe, werde ich dann frei davongehen dürfen? Kein böses Blut? Ich kann meine Karriere da wieder aufnehmen, wo ich sie verlassen habe? Vielleicht hast du die Absicht, mich zu heiraten und mich zu einer sauberen weißen Marmorstadt auf den grasigen winddurchwehten Ebenen von Mag Mell zu bringen. Ist es das?«
    Rocket biß sich auf die Unterlippe. Seine Augen waren wie zwei Kohlen.
    Jäh stabilisierten sich die EM-Felder, verschmolzen ineinander, stürzten zu einem schmalen Speer in sich zusammen und verschwanden völlig.
    »Wir haben unser Tor«, berichtete der Drache.
    Das Höllentor blühte hart an der Grenze des Sichtbaren, eine ungewisse Schwärze vor der sternübersäten Schüssel des Raums. Dahinter gingen zwei glänzende Flecken, Rockets Kameraden, auf eine Position, wo sie erwarteten, daß sich ein völlig anderes Tor öffnete.
    Rockets Stimme hob sich ungläubig. »Verdammt, was tust du da eigentlich? Hier draußen ist alles instabil - eine falsche Handlung könnte die obere wie die untere Welt