Die Tochter des stählernen Drachen
niedergeschlagen fühlen müssen. Ferret war tot, die Meryons waren tot, und gewiß waren auch andere während des Kampfs zwischen Melanchthon und Ferret gestorben. Wenn sie aus Termagant ausbrächen, würde es draußen - auf den Straßen vor dem zusammenbrechenden Gebäude - jeden erwischen. Und das wäre lediglich der Anfang einer allgemeinen Schlächterei. Sie hatten sich auf eine Suchfahrt der Zerstörung eingelassen, sie gingen gegen den größten aller Feinde vor, sie würden sterben und im Tod die Auslöschung der Geschichte suchen. Es war das Ende aller Dinge.
Sie fühlte sich großartig.
»Haben wir genügend Energie?« fragte Jane, während sie bereits über die Trümmer eilte und die Sprossen zur Kabine hinaufstieg. Sie warf ihre Windjacke und die Bluse durch die Öffnung ins Wohnzimmer und schlug die Luke zu. Ihre Fliegerjacke erwartete sie. Sie streifte sie über und zog den Reißverschluß hoch.
»Sie muß reichen.« Melanchthons Worte waren sanft, doch sein Tonfall war zuversichtlich und paßte sich seiner Kraft und seinem zerstörerischen Potential an. Einer nach dem anderen sprangen seine Motoren an. Die Wände klapperten, und die weiche grüne Instrumentenbeleuchtung flackerte. Da war ein Helm - Jane streifte ihn über und steckte das Haar hinein. Die Kabine roch nach Leder und Schmieröl. Sie legte sich die Sauerstoffmaske über den Mund.
Jane ließ sich auf der Liege nieder, packte die Gummigriffe und drehte. Die Nadeln stachen ihr tief ins Fleisch. Die Panoramaschilde schlossen sich ihr um den Kopf. Wieder einmal ruhte sie im warmen Zentrum des Drachensensoriums.
Zu drei Seiten von Termagant standen so viele Wolkenkratzer, daß es keinen gefahrlosen Kurs zwischen ihnen hindurch gab. Sie mußten ostwärts fliegen, in die aufgehende Sonne hinein. Bereits jetzt fielen Teile vom Gesims und Backsteine hinab, die durch die Schwingungen der Drachenmotoren losgeschüttelt worden waren. Jane rief die Waffensysteme auf, und die Kontrollen bauten sich rangartig in drei Reihen vor ihr auf wie die Manuale jener großen Orgel, die die Lady beim allerersten Sonnenaufgang gespielt hatte.
Alles war am Platz. »Bist du bereit?« fragte Jane.
»Vor meiner Existenz schon war ich bereit.«
»Dann gehen wir’s an!«
Sie hatten beim Herausbrechen drei Stockwerke zu Staub zermahlen. Jane sah ganz kurz, wie der pyramidenförmige obere Teil von Termagant langsam zu einer grauen Wolke zerfiel, wie die Umrisse verschwommener wurden, während die Wände zerbröckelten. Im weiten Umkreis zerbrachen die Fensterscheiben und erfüllten die Luft mit einem funkelnden Dunst aus Kristallen, der rotglühend vom Ruhm ihrer Düsen kündete. Dann waren sie verschwunden. Immer dünner breitete sich die Große Graue Stadt unter ihnen aus, das enge Maschengeflecht von Straßen und Gebäuden wich nach und nach den Einzugsgebieten.
Tief kamen sie über Whinny Moor herein. Sie flogen in Baumwipfelhöhe, hätte es irgendwelche Bäume gegeben. Die Schlammzonen und Industriegebiete, die Hütten, Öltanks und Müllkippen für Chemieabfall blitzten unter ihnen auf und waren verschwunden. Das Licht machte die flachen Tümpel und Flüsse silbern und trat Regenbögen von den Ölschlämmen los. Schmale Straßen zuckten und wanden sich wie Schlangen.
»Hoch! Hoch! « kreischte Jane, und der Drache strich knapp über eine Reihe von Hochspannungsleitungen hinweg. Er verfehlte sie nur um Meter, und in seinem Kielwasser peitschten sie wild hin und her. »Das war zu knapp, verdammt noch mal! Warum gehst du nicht höher?«
»Wir unterfliegen ihr Radar«, knurrte Melanchthon. »Du hast von Radar gehört, nehme ich doch an.«
Die Drachenwerke waren ein verschmierter Fleck am Horizont.
Jane brachte die beiden Kanonen on-line und rief die Zielsysteme auf. Ein Fadenkreuz tauchte im Zentrum ihres Blickfelds auf. Es trieb leicht auf und ab, während sie den Bodenkonturen folgten. »Erster Vorbeiflug«, sagte Jane. »Wir nehmen uns das Fronttor und die ZeitUhr vor und blasen den Stein der Göttin zu Staub.« Sie fühlte sich wild, frei, rachsüchtig, abscheulich - unaufhaltbar. »Knallen wir der Hure einen vor den Latz!« Sie wußte, daß es keine Göttin gab; lediglich als Metapher für das ansonsten Unbegreifliche. Sie wußte, daß die Kräfte, denen sie sich entgegenstellten, ebenso unpersönlich wie unermeßlich gewaltig waren. Aber so war es für sie zufriedenstellender.
»Das wird kaum ihre Aufmerksamkeit erregen«, knurrte der Drache. Er war
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