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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Schultern. »Er hat’s mir nicht gesagt.«
    »Er will unbedingt ’ne Beförderung - soviel ist klar. Alle sagen, er hat die Unterstützung des Baldwynn für dieses Projekt. Alle sagen es, doch niemand weiß es sicher. Die Richtlinien von oben sind so unbestimmt, daß jeder Flegel mit ’nem Triller unterm Pony ...« Er richtete sich abrupt auf. »Hat der Baldwynn wirklich auf sein Wort gehört? Wie könnte ein Niemand wie Blugg das schaffen? Aber wenn’s nicht stimmt, wie könnte er es wagen ...? Worauf will er nur hinaus?«
    »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Du mußt etwas wissen.« Der Lagerverwalter war so braun wie Borke und so dürr, daß seine Augen zu beiden Seiten herausstanden; er sah aus wie eine Ansammlung von Zweigen, wie die Steckenmännchen, die in der Hogmanay-Nacht an Pfähle gehängt und in Brand gesetzt wurden. Er schwenkte den ausgestreckten Zeigefinger unter ihrer Nase und sagte: »Untergebene wissen immer Bescheid.« Das Lächeln, das er jetzt aufgesetzt hatte, hielt er wohl für einschmeichelnd. »Kriechen und schnüffeln herum wie Mäuse, stecken kleine Nasen mit Barthaaren in alles hinein.«
    »Nein, wirklich nicht.«
    »Blödsinn!« Er schlug auf die Theke. »Es hat was mit Grimpke zu tun, nicht? Dem ohrlosen alten Mistkerl in Abteilung A?« Er drehte den Kopf zur Seite, so daß er mit einem Auge auf sie herabsehen konnte. »Ich hab’s mir gedacht! Hat zweifellos irgendwas mit seiner berühmten Bein-Montage zu tun.« Er ließ sich zurückfallen und gackerte los. »Nun, wenn Blugg glaubt, das würde ihn zum Liebling der Geschäftsleitung machen, dann kannst du ihm sagen ... du kannst ihm sagen ...« Ein gerissener Ausdruck glitt über das schmale Gesicht. »Nein, sag’s nicht. Sag ihm« - er verrenkte sich und spähte über eine Schulter auf die Reihen von Tonnen, die auf den Stahlregalen hinter ihm standen - »sag ihm, wir haben nur eine halbe Tonne Zaunrübe, und wenn er mehr haben will, wird er eine Genehmigung von den Jungs in den Labors brauchen.«
    Beim Weggehen hörte Jane den Magazinverwalter hinter sich lachen. »Grimpke! Welch ein Witz!«

    Als sie das nächstemal in die Wand kroch, machte es sich Jane nicht in dem kleinen Nest gemütlich, das sie dort gebaut hatte. Sie ließ das Zauberbuch unten liegen und kletterte zwischen den Mauern hinauf, wobei sie nach Streben und Stützen suchte, um die bloßen Füße daraufzustellen. Es war überraschend einfach. Vorsichtig stieg sie bis ganz nach oben. Dort folgte sie den kühlen Luftströmen, bis sie deren Quelle fand, eine Falltür, die vor langer Zeit den Zugang zum Dach ermöglicht hatte.
    Sie rüttelte daran und entdeckte, daß sie mit Teerpappe überklebt worden war und sich nicht öffnen ließ. Aber es würde ihr keine große Mühe bereiten, ein Messer zu stehlen.

    Am nächsten Tag, gegen Schichtende, kam Rooster mit einem neuen Fluchtplan zu ihr. Sie befanden sich inmitten eines jahreszeitlich bedingten Produktionsrückgangs, und anstatt sie früher zum Schlafsaal zurückzuführen, hatte Blugg den Kindern Besen und Kübel mit Kehrstreu in die Hände gedrückt. Sie sollten die Fußböden der Musterabteilung säubern.
    Das war eine unsinnige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Die Fußböden waren vor fast einem Jahrhundert aus riesigen Eichenbohlen gelegt und von Generationen so verbogen und abgetreten worden, daß das Holz zwischen den Maserungen tiefe Furchen und Risse aufwies und unerschöpfliche Gruben für Staub und Schmutz bildete. Nicht die größte Menge Kehrstreu könnte sie säubern.
    Aber solange die Kinder zu arbeiten vorgaben, blieb Blugg im Büro des Vorarbeiters und ließ sie in Ruhe. Jane sah das Kabuff durch die Fensterwand, die unterhalb der Decke die ganze Länge des Gebäudes einnahm. Es war ein bescheidenes Labyrinth aus Schreibtischen, tapeziert und sauber, eine ruhige und völlig andere Welt als die, worin sie schuftete. Grimpke war oben bei ihm in dem geborgten Büro. Die beiden alten Trolle beugten sich tief und gewichtig über ihre Baupläne.
    »Sieh mal.« Rooster schüttelte eine Schaufel mit Schmutz und wächsernem Kehrstreu vor Janes Gesicht. »Wohin geht das Zeug deiner Ansicht nach?«
    Jane schob sie beiseite. »Zurück auf den Fußboden. Recht bald.«
    »Sehr komisch. Nein, hör zu. Wir schütten das Zeug in diese Abfalleimer, stimmt’s? Die hievt dann später ein Paar Pillywiggins heraus und wirft den Müll in eine Tonne, okay? Zusammen mit Abfällen, Sägespänen, Verpackungen, Kanistern mit

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