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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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»Skywalk zum Bellegarde. Drück mal auf die Tube!« Zu Sirin sagte sie: »Ist schon gut, ich habe genügend Geld, um zu bezahlen. Geht auf mich.«
    Sirin brach weinend an ihrer Schulter zusammen.

    Weil Jane darauf beharrte, kehrten sie nicht direkt nach Habundia zurück, sondern gingen statt dessen zum Pub. Der Pub war eine Studentenkneipe wenige Etagen unter Habundia. Er war überfüllt, geräuschvoll und sicher. Jane bestellte einen Krug Bier, und Sirin kippte drei Krüge nacheinander weg.
    Bier machte Sirin stets rührselig. »Ich bin dir so dankbar. Für den Aufzug, dafür, daß du mich dort rausgebracht hast. Jane, du kannst dir nicht vorstellen, wovor du mich bewahrt hast, was für Dinge er tun wollte.«
    »Denk nicht dran. Es ist unwichtig.«
    »Nein, wirklich. Was hätte ich ohne dich getan? Ich stehe in deiner Schuld. Alles, was du willst - was ich dir geben kann, ist es dein.« Einen Augenblick lang schwieg sie, dann trat ihr ein kleines feenhaftes Lächeln auf die Lippen. »Nicht, daß ich es nicht gern täte - irgendwann. Aber ich glaube nicht, daß ich jetzt schon dazu bereit wäre.«
    Jane starrte in ihren Krug, auf die Blasen, die zunächst langsam und dann mit zunehmender Geschwindigkeit im Bier aufstiegen. Sie glänzten wie winzige Galaxien, jede Blase war ihr eigenes kleines Universum. Sie setzte den Krug an den Mund und tat einen tiefen Zug. Ich bin der Tod, dachte sie, die Zerstörerin von Welten. Laut sagte sie: »Dieser Scheißdreck da, den mir Galiagante von dem Grüner-Daumen-Syndrom erzählt hat, der wird nicht funktionieren, oder? Das war einfach nur viel heiße Luft.«
    »Nun, es könnte klappen, schätze ich. Es wäre nur nicht sehr praktisch.«
    »Worin besteht dann das Geheimnis?«
    »O Jane, ich habe dir genügend Hinweise gegeben. Bitte, bring mich jetzt nicht dazu, daß ...«
    »Du hast gesagt, alles was ich will, stimmt’s? Ich hab dich gerettet, erinnerst du dich?«
    »Ja, aber ich habe nicht gewußt, daß du mich um so was bitten würdest. Es ist einfach nicht erlaubt. Es ist ...«
    »Pscht.« Jane streichelte Sirins Hand und berührte ihre Knie unter dem Tisch mit den eigenen Knien. Während sie tief in die unsteten Augen blickte, murmelte sie: »Du bist sehr schön.«
    »Was?«
    Jane war kaum betrunken, und sie verstand, daß ein Gespräch mit einem Betrunkenen große Gesten, grobe Vereinfachungen, leuchtende Primärfarben erforderte. Sie legte die Stirn an Sirins Stirn und flüsterte: »Komm schon, Sirin, ich tät’s für dich. Ich bin deine Freundin, nicht wahr? Du kannst mir vertrauen. Tu’s!«
    Sirin errötete und starrte auf ihre ineinander verschränkten Hände. »Ich mogele. Ich beschönige die Ergebnisse.«
    Jane streichelte ihr weiterhin die Finger. Sie kam sich ein wenig schmutzig vor, weil sie so etwas tat, aber ihr blieb wohl kaum etwas anderes übrig. »Sag mir, wie.«
    Sirins Blick wurde verschwommen, die Augen wurden milchig weiß, die Pupillen zu winzigen Flecken, die sich dann ins Nichts auflösten. Mit einer heiseren Stimme, die nicht die eigene war, sagte sie: »Kennst du den Unterschied zwischen exoterischer und esoterischer Alchemie?« Jane schüttelte den Kopf. »Was du bislang getan hast, die ganze Laborarbeit, anorganisch wie organisch gleichermaßen, ist exoterisch - beschäftigt sich mit der Umwandlung von Materie. Es ist die äußere Tradition. Kannst du dem folgen?«
    »Ja.«
    »Esoterische Alchemie ist die innere Tradition. Sie ist die Kehrseite der Medaille. Es gibt keine Seminare für esoterische Alchemie, eine Forscherin muß sie vielmehr notgedrungen auf eigene Faust erlernen. Esoterische Alchemie beschäftigt sich mit der Umwandlung des Geistes. Das läßt sich auf vielerlei Weise bewerkstelligen - durch Schmerz, Entsetzen oder mönchische Disziplin, zum Beispiel -, wird jedoch am einfachsten durch eine genau berechnete Dosis Sex erreicht.«
    »Sag mir, wie es funktioniert. Die praktische Seite davon.«
    Sirins Stimme war nach und nach härter und tiefer geworden. Es war keine weibliche Stimme mehr. »Das Verfahren besteht aus zwei Teilen.«
    »Zwei Teile.«
    »Der erste Teil ist esoterisch. Damit ist Sex verbunden. Während du fickst, mußt du das Experiment von Anfang bis Ende, Schritt für Schritt, vor dem inneren Auge ablaufen lassen. Wenn es deinem Liebling kommt, ehe du fertig bist, mußt du von vorn anfangen.«
    Jane konnte sich nicht von Sirins kalten Händen lösen. Eine betäubende Energie floß ihr die Arme hinauf und das

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