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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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Galiagante schnippte mit den Fingern, und eine von ihnen beugte sich tief über ihren Tisch.
    Licht blitzte von einer Brustwarze aus Chrom, als sie das Tablett darbot. Ordentliche Reihen eines Pulvers lagen zum Gebrauch bereit. Galiagante legte die Brieftasche auf den Tisch und beugte sich herab, um zwei Reihen zu schnupfen, eine pro Nasenloch. Sirin und Jane folgten seinem Beispiel. Er hinterließ mehrere Scheine auf dem Tablett.
    »Darf ich bitten?«
    Sirin akzeptierte den Arm, und sie gingen hinaus auf die Tanzfläche.
    Die Brieftasche war auf dem Tisch zurückgeblieben. Sie lag in einem Tümpel aus Licht und schien fast zu atmen, so erfüllt war sie mit Leben. Das Leder war mit einem Schädel und einer Rose tätowiert. Diese kleine Geste, die Brieftasche zurückzulassen, beeindruckte Jane zutiefst. Sie besagte einiges über Galiagantes Mittel.
    Sie warf einen flüchtigen Blick hinein.
    Elfen waren launisch. Es wäre Wahnsinn, einen auszunehmen. Es würde eine an Selbstmord grenzende Menge Nerven erfordern. Sie nippte an ihrem Getränk. Sirin tanzte natürlich wundervoll, und Galiagante drückte sie eng an sich und murmelte ihr etwas ins Ohr. Ihre Züge waren fein und aristokratisch, und da Jane sie jetzt unter solchen ihrer Art sah, fiel ihr zum erstenmal auf, daß Sirin gewiß von den Tylwyth Teg selbst abstammte.
    Die Musik war langsam, und die beiden Tänzer glitten übernatürlich anmutig dahin wie Eisschwäne auf einem Teich. Nach und nach jedoch veränderte sich Sirins selbstgefällige Stimmung, und sie wurde unruhig. Sie stockte. Sie kämpfte anscheinend gegen Galiagantes unnachgiebigen Griff.
    Jane sah ihnen nachdenklich zu.
    Als der Tanz endete, kehrte Sirin zum Tisch zurück und nahm ihre Handtasche. »Ich gehe zur Toilette. Kommst du mit, Jane?« In ihrem letzten Satz lag der Hauch einer Forderung.
    »Wir werden nicht lange wegsein«, warf sie über die Schulter.
    Galiagante erwiderte nichts. Er saß da und starrte auf das ertrinkende Pferd, und ein kleines Lächeln flackerte ihm wie eine Flamme auf den Lippen.

    »Halt das für mich!« Sirin warf Jane ihre Handtasche zu und schlug die Tür zu einer Kabine zu.
    Jane lehnte sich gegen ein Waschbecken und musterte die Reihe von Kabinen. Aus einer ertönten Kotzgeräusche. Rubinabsätze zeigten sich in dem Spalt unter der Tür. Jane ging in die danebenliegende Kabine und schob den Riegel vor.
    Auf den Kacheln neben den Knien der kotzenden Elfe lag eine perlengeschmückte Handtasche. Langsam, vorsichtig zog Jane sie mit der Spitze ihres Schuhs näher. Ihre Besitzerin war zu sehr mit ihrer Übelkeit beschäftigt, als daß es ihr aufgefallen wäre.
    In der Handtasche war eine Menge Geld. Jane nahm alles heraus und legte die Tasche auf den Boden zurück. Sirins Handtasche enthielt beträchtlich weniger; was jedoch vorhanden war, nahm Jane an sich. Sie riß Sirins Paß für den öffentlichen Aufzug in Stücke. Einen Augenblick lang trieben die Fetzen in der Toilettenschüssel. Sie spülte sie hinunter.
    Als sie heraustrat, stand Sirin vor dem Spiegel und erneuerte ihr Make-up. Ihr Gesicht war aschfarben. Sie packte Jane fest am Arm.
    »Wir müssen hier raus. Auf der Stelle.«
    »Wovon redest du?«
    »Galiagante. Jane, die ganze Zeit über, während wir getanzt haben, hat er mit mir gesprochen, mir Dinge erzählt. Dinge, die ... Jane, du kennst mich. Ich bin nicht prüde. Aber einige der Dinge, die er gesagt hat. Über Angelhaken und ...« Sie stockte. »Wir müssen raus!« beharrte sie.
    »Natürlich. Wir gehen auf der Stelle.«

    Sie stürmten durch die Flügeltüren des Clubs und liefen zu den Aufzügen. Sirin drückte den Rufknopf. Sie sah sich ängstlich um. Galiagante war noch nicht aufgefallen, daß sie von ihrem Toilettengang eigentlich längst hätte zurück sein müssen.
    »Da kommt einer. Ich höre die Kabel.«
    »Für mich kann er nicht rasch genug kommen.« Sirin holte ihre Geldbörse heraus und öffnete sie. Sie verzerrte voller Entsetzen das Gesicht. »Ich habe kein Geld! Wir müssen den öffentlichen ...« Mit wachsender Panik durchwühlte sie ihre Handtasche. »Wo ist mein Aufzugpaß ?«
    »Beruhig dich, Sirin.«
    »Wir sitzen in der Falle. Jane, du weißt nicht, was er von mir gewollt hat - was er von uns beiden will!«
    »Ist schon gut, Sirin. Wirklich.«
    »Du kannst es dir nicht vorstellen. Er ist so ...«
    Der Aufzug traf ein, und ein Zwerg in Livree - nicht derselbe wie vorhin - sah sie finster an. Jane schob Sirin hinein und fauchte:

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