Die Tochter des Tuchhandlers
Stimmen laut. Tomeo sah hinaus und entdeckte einen richterlichen Büttel vor dem Tor. »Verfluchtes Gesindel!«, schimpfte er und eilte nach vorn, wo der Beamte bereits im Hof stand und lautstark sein Recht forderte.
»Heda, ganz langsam!«, fuhr Tomeo ihn an. Farini, der die Tür geöffnet hatte, entfernte sich.
»Und wer seid Ihr, dass Ihr Euch der Amtsgewalt in den Weg stellt?« Der Beamte war einen halben Kopf kleiner als Tomeo, trug aber das Brustband der Justizbeamten stolz über seinem massigen Körper. Unter seiner Kopfbedeckung schauten strähnige graue Haare hervor, und in seinem Mundwinkel klebten Reste eines Mahls.
»Ich bin der Bruder des flüchtigen Federico Buornardi und werde mich um diese Angelegenheiten kümmern. Mein nächster Besuch gilt dem gonfaloniere, und bis ich zurück bin, wird hier nichts mehr aus dem Haus geholt!«
Gian Marco kam aus den Stallungen herbei.
»Du passt jetzt hier auf, Gian Marco. Niemand darf ohne meine Erlaubnis herein.«
»Jawohl , capitano .«
Obwohl Tomeo sich gern vorher umgezogen hätte, hielt er es für besser, den widersprechenden Beamten zur Tür hinauszubefördern und Mansi sofort aufzusuchen.
»Das dürft Ihr nicht! Ich habe einen richterlichen Beschluss zur Pfändung des Inventars«, entrüstete sich der beleibte Beamte, während er von Tomeo die Treppe hinunter auf die StraÃe geschubst wurde.
»Was wollt Ihr denn noch pfänden? Die Lager sind leer, die guten Möbel und die Pferde fort ⦠Trollt Euch, Mann.« Wütend stapfte Tomeo durch die StraÃe, bemerkte die Blicke einiger Ladenbesitzer, die ihn zu erkennen schienen, und auch das Getuschel, wenn die Leute hinter ihm die Köpfe zusammensteckten. Sein Magen knurrte, als er über die Piazza San Matteo schritt, von der es nur noch einen Häuserblock bis zum Palazzo Mansi am westlichen Stadtrand war.
Im hohen Torbogen des Anwesens, das nach dem der Buonvisis zu den prächtigsten der Stadt gehörte, standen zwei Wächter mit blitzenden Brustpanzern und aufgestellten SpieÃen. Das Wappen der Familie Mansi prangte über dem Tor. Tomeo wurde ohne weiteres vorgelassen und in einen Salon geführt, dessen Wände mit riesigen flämischen Wandteppichen bedeckt waren. Im Kamin brannte ein Feuer, und davor saÃen, in eine angeregte Unterhaltung vertieft, Lorenzo Mansi und Gadino del Connucci.
Der Marchese erhob sich sofort bei Tomeos Eintreten und kam ihm mit ausgestreckten Armen entgegen. »Mein Freund!« Er geleitete Tomeo zu einem freien Sessel am Kamin.
Lorenzo Mansi war um die fünfzig, von sehniger Statur und trug kurze graue Haare und einen gestutzten Bart. »Ich sehe, Ihr habt Euch der Mode angeschlossen â¦Â«, sagte er und nickte Tomeo freundlich zu.
Dieser fuhr sich über seinen Bart. »Entschuldigt mein Auftreten, aber ich komme direkt aus Mailand. Wir sind wegen des Wetters zwölf Tage unterwegs gewesen, und ich war nur kurz in meinem Haus. Sagt mir, Gadino, was hat mein Bruder getan?«
Lorenzo winkte seinem Diener, der ein Weinglas und eine Platte mit Schinken, Brot, Datteln und Kuchen brachte. »Greift zu, Tomeo, Ihr seht mitgenommen aus.«
Der gonfaloniere lehnte sich zurück und nippte an seinem Wein, während der Marchese von den ungeheuerlichen Vorfällen am frühen Morgen des zweiten Januars berichtete. »Wir haben fast alle gefasst. Gottaneri hat niemanden verraten, er war ein hartgesottener Bursche, Valori auch und Quilici â¦Â« Er grinste. »Eine Memme! Er hat sich, kaum dass er im Kerker saÃ, vergiftet. Menobbi, dieser verschlagene Hurensohn, hat nach zwei Stunden auf der Streckbank alles gesagt, was wir hören wollten. Seine Schwester hatte Glück, dass sie schon fort war. Ich nehme an, dass sie irgendwo auf dem Weg nach Rom auf Federico gewartet hat.« Connucci schlug die muskulösen Beine übereinander. Seine dunklen Augen verrieten keine Gefühlsregung, doch um seinen Mund zuckte es.
Der Marchese musste rasend vor Wut gewesen sein, als er erfahren hatte, dass Marcina und Federico so tief in die Verschwörung verstrickt waren. Immerhin hatten sie über lange Zeit ein pikantes Dreiecksverhältnis gepflegt. Und Nardorus hatte angedeutet, dass auch die Marchesa in die Verschwörung verwickelt war. Aber das waren Dinge, die Tomeo den Marchese unter vier Augen fragen würde. »Gab es einen Kampf mit den
Weitere Kostenlose Bücher