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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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den Weg konnte sie sich kaum
entsinnen, sie musste gelaufen sein, doch die Droge hatte sie benebelt und willenlos
gemacht. Sie wusste nicht mehr, ob sie weit gegangen waren, ob sie mit einem Boot
gerudert waren – obwohl sie das dunkel annahm.
    Beim ersten
klaren Gedanken hatte sie auf dem Boden gelegen, allein in diesem verdreckten Raum.
Sie hatte sich hastig erhoben und den Schemel herangezogen. Seither saß sie da.
Wer der Mann gewesen war, der sie hierher gebracht hatte? Sie wusste es nicht. Sein
Gesicht war merkwürdig dunkel verschmiert gewesen, so als hätte er es absichtlich
verfremdet. Gesprochen hatte er kein Wort mehr. Den ganzen Weg über nicht.
    Warum?
    War es der
Händler, von dem sie die Gewürze erstanden hatte, der sich aus welchem Grund auch
immer an ihr rächen wollte? Das war absurd, er hatte ein gutes Geschäft gemacht.
    Wollte sich
jemand aus dem Handelshaus an ihr vergreifen und hatte sie deshalb in ein Hurenhaus
gebracht? Nur wer? Und warum handelte er nicht, als sie noch wehrlos war?
    Diese Fragen
gingen nicht mehr aus dem Kopf, sie konnte es irgendwann nicht mehr ertragen und
erhob sich.
    Sie rüttelte
an der Tür – verschlossen, natürlich. Durch die Ritzen des Fensterladens konnte
sie in die Tiefe spähen und sah das Kanalwasser glitzern im Licht der Sonne. Mit
aller Kraft versuchte sie, den Laden zu öffnen, doch die nachträglich angenagelten
Querstreben hielten – und selbst wenn nicht, wie hätte sie mehrere Stockwerke hinunterkommen
sollen, um dort im Wasser zu landen?
    Zurück bei
der Tür schlug sie mit der Faust dagegen. Nichts geschah, was ihre Beklemmung hätte
vertreiben können. Sie rieb sich die schmerzenden Handkanten und versuchte, sich
zu beruhigen. Denk nach, befahl sie sich. Doch tat sie das nicht schon die ganze
Zeit? Fast sehnte sie sich nach der Benommenheit zurück, die das alles erträglicher
gemacht hatte, da hörte sie, wie jemand einen Schlüssel im Schloss drehte. Die Tür
öffnete sich quietschend, und ein Mädchen in einem bunten Kleid trat ein, schloss
die Tür mit dem Fuß und hielt Jolanthe mit einem Lächeln einen Krug Wasser und einen
Kanten Brot entgegen. Ihre dunklen Augen schimmerten sogar in dem dämmrigen Licht
des Zimmers.
    Jolanthe
nahm das Dargebotene entgegen. Bevor sich das Mädchen wieder umdrehen konnte, fragte
sie: »Wie heißt du?«
    Die Angesprochene
schob die Schultern nach oben und schien nicht zu verstehen. Jolanthe zeigte auf
sich und sagte: »Jolanthe.« Dann nickte sie in Richtung des Mädchens und rang sich
ein Lächeln ab, um sie zum Reden zu ermuntern.
    »Laetizia«,
kam die Antwort.
    »Laetizia«,
Jolanthe stellte den Krug auf den Schemel und legte das Brot daneben. Dann sah sie
das Mädchen durchdringend an und fragte: »Wer hält mich hier fest?«, indem sie jedes
Wort deutlich betonte. Laetizia schüttelte den Kopf.
    »Mann«,
sagte Jolanthe. »Umhang. Eingesperrt.« Sie zeigte auf sich, dann auf das Zimmer.
»Warum?«
    »Mann, si«,
antwortete das Mädchen und nickte eifrig. »Wollen dass du hier.« Sie zeigte auf
den Boden. Dann hob sie beide Hände, spreizte die Finger und ergänzte: »Tage. Dann
frei. Gehen.« Ihr Zeigefinger zeigte in Richtung Tür.
    Sie verstand
also zumindest ein wenig. Vermutlich hatte man sie deshalb zum Bedienen der Gefangenen
abgestellt.
    »Warum?«,
fragte Jolanthe erneut, doch Laetizia zuckte nur mit den Schultern. So kam sie nicht
weiter. Das Mädchen wurde unruhig. Sie öffnete die Tür in ihrem Rücken und verschwand,
bevor Jolanthe sie halten konnte.
    »Bleib!«,
rief sie.
    Der Schlüssel
knirschte im Schloss, rasche Schritte entfernten sich. Dann wurde es wieder still.
    Jolanthe
spürte, wie sich ihre Fingernägel in die Handballen gruben. Sie saß fest im obersten
Stockwerk eines alten Hauses, die Tür gesichert mit einem rostigen Schloss, bewacht
von einem jungen Mädchen, das mehr Respekt vor ihr zu haben schien als umgekehrt.
Es ergab alles keinen Sinn. Und in zehn Tagen sollte sie wieder frei sein, einfach
so? Konnte sie dem trauen und wenn ja, was geschah in der Zwischenzeit, warum sperrte
man sie ein?
    Jolanthe
ging erneut zum Fenster und untersuchte den Laden. Die beiden Querbretter waren
frisch angenagelt worden, das konnte sie erkennen. Doch was sie vorhin nicht gesehen
hatte, war, dass der obere sich bereits gelockert hatte. Das musste geschehen sein,
als sie am Laden gerüttelt hatte. Nun zog sie gezielter, und es dauerte nicht lange,
da hatte sie eine der Latten in den Händen.

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