Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Überblick
ausreichend, um zur Tat zu schreiten. Als Erstes ging sie auf den Kaufmann zu und
erkundigte sich nach den jüngst eingetroffenen Schiffen. Er entpuppte sich als Landsmann
und schien den Hafen seit geraumer Zeit zu beobachten, also wusste er ausreichend
Bescheid und war froh um die Ablenkung, die ihre Frage ihm bot. Kaum hatte sie sich
bei ihm bedankt und war ein paar Schritte weiter gegangen, da schaute er bereits
wieder in die Ferne. So als könne er das Schiff, auf das er wartete, auf diese Art
herbeizaubern.
Jolanthe
behielt die Neuankömmlinge im Blick und fragte gezielt nach deren Ladung, wo immer
man sie verstand. Sie versuchte, bei ihren Nachfragen so unauffällig wie möglich
zu erscheinen, nur einer der Seeleute hielt sie für eine Hure und wollte sie mit
sich zerren. Mit einem gezielten Tritt beendete sie seinen Irrtum. Sie bekam heraus,
welches der Schiffe Gewürze geladen hatte. Das Schiff wurde gerade entladen, und
der einfachste Weg, mehr zu erfahren, führte über den Seemann, der das Boot hin
und her ruderte. Also begab sie sich an die Anlegestelle, wartete, bis er kam und
das Boot in die richtige Position manövriert hatte.
»Ich möchte
mit dem Besitzer der Gewürze sprechen.«
Der Seemann
musterte sie von oben bis unten. Zunächst dachte sie, er spreche ihre Sprache nicht,
dann aber antwortete er mit starkem Akzent:
»Ist in
die Gasthaus zu goldene Ochse. Da Hafen.« Er deutete unbestimmt in eine Richtung.
»Ihr könnt
mir doch sicher sagen, ob er noch etwas zu verkaufen hat.«
Wieder dieses
Mustern, so als frage er sich, was Jolanthe eigentlich von ihm wollte. Er zog die
Nase hoch und spuckte den Rotz ins Wasser.
»Frag ihn«,
antwortete er und schien das Interesse an ihr zu verlieren. Er wandte sich der Ladung
seines Bootes zu und half einem anderen, sie auszuladen. Jolanthe aber wollte nicht
locker lassen. Sie stellte sich vor ihn.
»Wisst Ihr
den Namen?«
»Lass mich
tun meine Arbeit. Werde ich bezahlt.«
Jolanthe
verstand, kramte ein paar Münzen hervor und drückte sie ihm in die Hand. »Beschreibt
ihn mir.«
Sie ließ
erst von ihm ab, als sie genügend Informationen hatte, um den Kaufmann finden zu
können. Gut gemacht, dachte sie sich. Jetzt muss ich nur schnell sein.
Sie wollte
sich gerade auf die Suche nach dem Gasthaus machen, da sah sie Pascals Gestalt zwischen
den Menschen. Er kam direkt auf sie zu.
»Du bist
früh unterwegs, gehst du deinen Geschäften nach?«, fragte sie in unverbindlichem
Ton. Sie hatte seinen Gesichtsausdruck gesehen, der Ungemach versprach, aber verdammt
nochmal, er hatte ihr gar nichts zu sagen!
»Du ebenso,
wie mir scheint«, antwortete er und zog sie beiseite.
»Ich muss
zum goldenen Ochsen. Dort ist ein Kaufmann, der Gewürze sein Eigen nennt und sie
an mich verkaufen wird.«
»Jolanthe,
ich will nicht, dass du ohne ein Wort einfach so verschwindest.«
»Martha
weiß, wo ich bin, und du hast mich auch gefunden, oder nicht?«
Er packte
sie am Arm, dass es schmerzte. »Du versprichst mir, dass du das nicht noch einmal
tust.«
»Du tust
mir weh.«
Genauso
abrupt, wie er sie angefasst hatte, ließ er sie wieder los. »Ich begleite dich.«
»Das ist
nicht nötig«, beteuerte sie, aber er blieb bei ihr und ließ sich nicht abwimmeln.
Sie wusste nicht, ob sie darüber lachen oder weinen sollte und fügte sich schließlich
in ihr Schicksal. Dann brauche ich mir wenigstens keine Gedanken zu machen, wie
der Kaufmann mich aufnimmt, dachte sie, in der Bemühung, etwas Gutes an der Situation
zu finden.
Sie hatten Jolanthes Geschäft mit
den Gewürzen am Tag zuvor gut abwickeln können. Die Ware lag bereits in den Lagern
des deutschen Hauses, und Pascal musste immer noch schmunzeln, als er am Morgen
auf seiner Bettstatt lag und den Staubkörnern zusah, die in den einfallenden Sonnenstrahlen
tanzten. Hier im Süden schien alles viel klarer, heller zu sein, und die Sonne verwöhnte
sie nun schon seit einigen Tagen. Es tat gut. Oben in den Bergen war es doch merklich
kühler gewesen.
Seine Gedanken
wanderten zurück zu der Begebenheit mit dem Kaufmann. Jolanthe hatte Safran, Pfeffer,
Kardamon und Ingwer erstanden in einer zähen Verhandlung, in die er sich kaum eingemischt
hatte. Der Kaufmann sprach Französisch, und so hatte er für Jolanthe übersetzt,
doch das Feilschen um den Preis war allein ihr Werk gewesen. Er musste zugeben,
dass sie darin immer besser wurde. Sie würde ihn bald nicht mehr brauchen. Stark
genug, ihren eigenen Weg
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