Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Plan
vorgekommen, im Gegenteil, es ruinierte alles, worauf er hingearbeitet hatte.
Er könnte
auf alles verzichten und Jolanthe mit sich nehmen, diese Möglichkeit hatte er durchdacht
und ein gutes Gefühl dabei gehabt. Nur musste er sich eingestehen, dass sie nicht
durchführbar sein würde. Warum? Jolanthe war zu stur, um die Wahrheit zu akzeptieren,
und solange sie das nicht tat, würde er nicht ehrlich mit ihr reden können. Ganz
der Vater, dachte er verbittert.
Sein Blick
wanderte tiefer, die Vorsprünge und Säulen entlang, und er fragte sich, ob Gott
den Ulmer Bürgern besonderes Augenmerk zuteil werden ließ, weil sie ihm ein solches
Bauwerk errichtet hatten. Wenn ja, was geschah dann mit den einfachen Leuten auf
dem Lande, die diese Möglichkeiten nicht besaßen? Die in kleinen Kapellen mit undichtem
Dach ihre Gebete sprachen. Liebte Gott diese weniger? Das konnte wohl kaum angehen.
Pascal zog
die Schultern hoch. Das könnte ich jetzt wunderbar mit Jolanthe erörtern. Wenn sie
hier wäre und wenn sie noch mit ihm reden würde. Er hatte sie seit ihrem Streit
vor drei Tagen nicht mehr gesehen. Allerdings hatte er auch nicht explizit nach
ihr gesucht. Er hatte vielmehr mit Mathies ein neues Geschäft beschlossen und erste
Vorbereitungen dafür getroffen. Was er mit Winald machen sollte, blieb ihm genauso
unklar wie sein weiteres Vorgehen bei Jolanthe, und hätte Mathies ihn nicht mit
einem neuen Projekt für die nächsten Tage an Ulm gebunden, er hätte seinen Gaul
geholt und wäre nach Hause geritten. Paris wartete bereits viel zu lange auf ihn,
und seine Rache an Winald schmeckte schal. Im Grunde war alles so gekommen, wie
er es erhofft hatte. Ob nun durch sein Mitwirken oder die Unfähigkeit anderer blieb
gleich. Der Mann war ruiniert. Neben dem, was er von Jolanthe erfahren hatte, erzählten
sie im Kaufhaus hinter vorgehaltener Hand, der Kaufmann Kun sei in Zahlungsschwierigkeiten,
der Ebers habe ihm die Webereien abgeworben. Pascal spürte keinen Triumph, nur eine
bohrende Leere, die er nicht zu füllen wusste, auch nicht dadurch, dass er zu Winald
ging und seinen Sieg auskostete.
Sein Blick
fiel auf den neuen Laden, von dem er gehört hatte, Sieglindes Mann sei der Inhaber.
Ohne darüber nachzudenken, was er dort wollte, begab er sich zu dem Haus und ging
hinein. Glasgefäße in den unterschiedlichsten Formen und Farben fielen ihm als Erstes
auf, dann ein schmaler Wandteppich, über mehrere Regalbretter drapiert. Für die
Größe des Ladens schienen ihm recht wenig Waren angeboten. Offenbar setzte Vico
auf Exklusivität.
»Ihr müsst
eine Menge Geld besitzen, dass Ihr Euch ein solches Geschäft einrichten könnt«,
sagte er zu Vico, der ihm entgegengekommen war. »Solche Gläser sah ich zuletzt in
Venedig aus den Manufakturen von Murano.«
»Sie sind
von dort. Pascal Pallet, wenn ich mich recht entsinne?«
Pascal gab
ihm die Hand. Dann trat er näher an die Regale und schaute sich um. »Wo habt Ihr
all diese Kostbarkeiten her?«, fragte er schließlich.
»Ich habe
meine Kontakte.«
Er wollte
nicht reden, das war offensichtlich. Pascal versuchte es direkter.
»Man hört,
das Kunsche Kontor stecke in Schwierigkeiten. Gewiss hätte das Kapital, das hier
drin steckt, bei den Geschäften mit Barchent weitergeholfen.«
»Es geht
Euch nichts an, meint Ihr nicht auch?«
Natürlich
ging es ihn nichts an, und im Grunde sprach das, was er sah, eine deutliche Sprache.
Vico hatte gründliche Arbeit geleistet. Selbst wenn er die Waren gut verkaufen konnte,
würde er den Gewinn in neue Waren investieren müssen. Das Kontor würde leer ausgehen.
Spontan
klopfte Pascal ihm auf die Schulter und sagte: »Wenn Ihr günstige Ware kaufen wollt,
wendet Euch an mich. Auch ich habe meine guten Kontakte.« Damit wandte er sich zum
Gehen. In der Tür drehte er sich nochmal um und ergänzte: »Sagt Jolanthe einen Gruß
von mir.«
Er trat
wieder auf den Platz und ging zurück zum Münster, dann durch eines der Stadttore
hinaus an die Donau. Er hegte nicht wirklich die Hoffnung, hier auf Jolanthe zu
treffen, deshalb hielt er irritiert inne, als er sie plötzlich erblickte. Sie stand
mit dem Rücken zu ihm am Wasser und warf Steinchen hinein.
Pascal machte
einen Schritt rückwärts, schalt sich einen Tor, tat den Schritt wieder nach vorn
und wusste nicht weiter. So als habe sie seine Anwesenheit gespürt, drehte sie sich
um und blickte ihn an. Nun gab es kein Zurück mehr, also trat er die Flucht nach
vorn an. »Geht es
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