Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Eurem Geschick mit Menschen. Wer weiß, vielleicht finden wir bei dieser Gelegenheit
sogar einen besseren Weber als den Karcher.«
Cornelius
nahm die Münzen und nickte. »Da gibt es einen, dem letzt viele Aufträge weggebrochen
sind, weil seine Ware bei einer Lieferung nicht in Ordnung war. Nicht seine Schuld,
will man den Gerüchten glauben, aber seine Kunden gehen dennoch auf Nummer sicher
und kaufen woanders.« Er sah sie erwartungsvoll an, so als wolle er weitere Anweisungen
von ihr haben.
»Vergesst
nicht, den Burschen mitzunehmen. Mit den Münzen solltet Ihr nicht allein reisen.«
»Natürlich
nicht.«
»Wie viel
ist noch auf Lager?«
»Nur das,
was Ihr hier seht.« Er nickte zu den Tuchballen hinter sich. »Barchent und etwas
Leinen.«
»Gut, versucht
soviel wie möglich davon heute loszuschlagen und kommt am Abend ins Kontor zur Abrechnung.«
Cornelius
nickte und Jolanthe verabschiedete sich von ihm. Sie hatte nicht vor, sich selbst
im Handelshaus um Kunden zu bemühen, denn zum einen erfüllte Cornelius diese Aufgabe
zu voller Zufriedenheit. Er hatte sie oft genug für den Vater erledigt. Zum anderen
wäre sie als Frau zu sehr aufgefallen, hätte Fragen nach Winald heraufbeschworen.
Es gab zwar einige Kaufmannswitwen, die sich im Handelshaus um die Geschäfte ihrer
noch minderjährigen Söhne kümmerten, wenn aber Winald auf einmal seine Tochter schickte,
dann war etwas faul, und sie durfte die Konkurrenz nicht unnötig aufmerksam machen.
Wenn sie diese Fassade aufrechterhalten konnte, würde ihr Plan vielleicht gelingen.
Draußen
am Fischmarkt riefen die Händler ihre Ware aus. Es roch nach Algen und brakigem
Wasser, Jolanthe wich einem Haufen von Gedärm und Innereien aus, die ein Verkäufer
nach dem Ausnehmen hinterlassen hatte. Unvermittelt stieß sie gegen einen Mann,
spürte feinen Wollstoff an ihrer Wange und sah hoch. Pascal blinzelte ihr zu.
»Ungestüm
wie immer, Jungfer Jolanthe?«
»Woher wisst
Ihr meinen Namen? Ich entsinne mich nicht, ihn Euch genannt zu haben.« Sie verfluchte
ihren Herzschlag, der sich rasant beschleunigt hatte, und mahnte sich selbst zu
Ruhe und Vorsicht. Dieser Kerl und Winald waren sich nicht grün, und es war ganz
sicher nicht weise, jemandem zu vertrauen, dem der Vater kritisch gegenüberstand
– auch wenn sie die Gründe dafür nicht kannte.
»Von Eurem
Herrn Vater. Ich würde gern mit ihm sprechen, meint Ihr, er kann ein wenig Zeit
erübrigen?«
»Er ist
verreist«, sie zögerte, bat Gott um Vergebung für ihre Lüge und fuhr fort: »Nach
Nürnberg. Ihr werdet mit Eurer Unterredung warten müssen.« Und sie hoffentlich vergessen,
fügte sie in Gedanken an.
»Bedauerlich.
Wohin führt Euch der Weg? Darf ich Euch ein Stück Gesellschaft leisten?«
Ohne auf
ihre Antwort zu warten, griff er sich ihre Hand und legte sie über seinen Arm. Jolanthe
ließ es sich gefallen und ging mit ihm auf das Ulmer Münster zu, ohne zu wissen,
was sie dort sollte.
»Ihr führt
Eurem Vater die Bücher, wie ich hörte«, meinte Pascal nach ein paar Schritten an
Jolanthes Seite. Sie hatte sich gerade auf die Stelle konzentriert, an der ihr Arm
den seinen berührte und wurde durch seine Worte abgelenkt.
»Ihr wisst
zu viel von mir, das ist verdächtig.«
»Mein alter
Freund Winald erzählt stolz von seinen Töchtern.«
»Von Freundschaft
habe ich aber nichts bemerkt. Habt Ihr Euch nicht mit meinem Vater gestritten, als
Ihr letzt bei ihm ward? Sieglinde erzählte mir so was.«
»Nicht der
Rede wert.«
Elegant
wich er einem herannahenden Fuhrwerk aus und zog sie mit sich in die andere Richtung.
»Woher kennt
Ihr meinen Vater?«
»Wir sind
alte Bekannte aus Paris. Dort komme ich her, aber nun sagt mir, wer hat Euch das
Rechnen beigebracht?«
Sie kamen
an das Münster und blieben stehen. Jolanthe sah an dem imposanten Bauwerk hoch und
beachtete seine Frage nicht. Ihr fielen die Wasserspeier auf, eine Schlange, ein
in Stein gehauenes Fabelwesen hoch zwischen den kleinteiligen Türmchen des Seitenschiffes.
Unvermittelt wurde ihr die Nähe Pascals unangenehm, und sie machte sich los.
»Ich habe
zu tun, Herr Pascal, und wie auch immer Ihr sonst heißen mögt.« Das Gefühl, dass
er sie nicht gehen lassen wollte, war überdeutlich.
Er blickte
sie an, zögerte, dann verbeugte er sich leicht. »Einen Gruß an die werte Schwester
und den Herrn Vater. Wir sehen uns wieder.«
Als er sich
umdrehte, sah sie ihm nach und grübelte über diese merkwürdige Begegnung. Er hatte
nur
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