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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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der ganzen Familie.
    Wer war
es gleich gewesen, der ihr davon erzählt hatte? Jolanthe dachte nach und sah dann
ihre alte Freundin Martha vor sich, wie sie in ihrem Kräutergärtlein im Hof den
Boden hackte und ihr Neuigkeiten berichtete. Ja, die Kräuterfrau war’s, und sie
hatte den Mann behandelt. Einen Studierten konnte sich der kaum leisten.
    Das Gesicht
des Medikus kam ihr wieder in den Sinn, wie er die Stirn gerunzelt hatte, nachdem
er das geschiente und gerichtete Bein Winalds betrachtet hatte. Sie biss die Zähne
zusammen, als sie an die offene Wunde dachte, schloss die Augen, faltete die Hände
und sprach leise ein Gebet.
    Dann saß
sie wieder da und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Heulsuse! Warum musste
der Vater auch so unvorsichtig sein? Vor ein Fuhrwerk laufen – Wie konnte er nur?
Gestritten hatte er sich mit wem, das sah ihm ähnlich. Und jetzt standen sie da,
sie und ihre Schwester. Wie lange würde sich das Kontor ohne Winald führen lassen?
Was würde aus ihnen werden, wenn jemand bemerkte, was hier geschehen war? Die Tränen
ließen sich nicht halten. Jolanthe gab es auf, dagegen anzukämpfen. Sie legte die
Unterarme auf das Bett, den Kopf darauf und weinte lautlos.
    Als sie
hochschrak, glitt Morgenlicht durch die geschlossenen Fensterläden. Sie musste eingeschlafen
sein. Ein Blick auf den Vater zeigte ihr, dass er unverändert schlief. Sie erhob
sich, streckte die Arme, um die verspannten Muskeln zu lockern. Dann blies sie die
Lampe aus, verließ die Kammer und ging die Stufen hinunter ins untere Stockwerk.
    Ein Hahn
krähte irgendwo in der Nachbarschaft, ein weiterer folgte. Noch fiel nicht genügend
Licht in den Flur, und Jolanthe tastete sich mit den Händen an der Wand entlang,
trat vorsichtig auf, um nicht eine Stufe zu verfehlen. Als sie die Tür zur Küche
öffnete, sah sie einen dunklen Schatten am Tisch. Erst nach dem zweiten Blinzeln
erkannte sie ihre Schwester, die mit gefalteten Händen dasaß und in die Dunkelheit
starrte.
    Ohne ein
Wort ging Jolanthe zum Fenster, öffnete die Läden und ließ das Licht des anbrechenden
Morgens herein.
    »Hast du
nicht geschlafen?«, fragte sie.
    »Ein wenig«,
antwortete Sieglinde.
    »Du hast
gedacht, er braucht dich vielleicht und bist deshalb wach geblieben, ist es so?«
Jolanthe setzte sich ihr gegenüber.
    »Du warst
doch bei ihm. Warum also hätte ich das tun sollen?« Die Schwester machte eine Pause.
»Ich werde Katrein schicken, um den Gästen für heute abzusagen.«
    »Sie soll
ihnen erzählen, Vater müsse in dringenden Geschäften nach Nürnberg. Sicher werden
die Leute reden über den Unfall, doch auf diese Art glauben sie vielleicht, er sei
nicht so schlimm gewesen. Wir müssen die Gerüchte in unserem Sinne beeinflussen.«
Dieser Gedanke kam unvermittelt, doch sie spürte, dass es der einzig richtige Weg
war.
    Sieglinde
musterte sie. »Wie geht es ihm?«
    Jolanthe
beschloss, Katrein die Anweisung persönlich zu geben. »Er schläft.«
    Sie schwiegen.
Jolanthe starrte auf die gefalteten Hände ihrer Schwester, die immer noch reglos
auf dem Holz des Tisches lagen. Schließlich wandte sie den Blick ab. »Ich könnte
Martha holen.«
    »Martha
von Werdenberg!« Sieglinde lachte kurz. »Die Verrückte in ihrer halb verfallenen
Burg, die dort haust, so als wäre sie noch Teil eines reichen Grafengeschlechtes,
und die nicht merkt, wie ihr einziger Diener vor lauter Gicht nichts mehr tragen
kann.«
    »Sie hat
ein großes Wissen über Kräuter. Sie hat dem Mann, der vom Münster-Gerüst fiel, geholfen.«
    »Ich habe
noch nie verstanden, was für einen Narren du an ihr gefressen hast.«
    »Sie ist
eine gute Heilerin. Sie hätte Mutter retten können.«
    Sieglinde
starrte sie an. Einen Herzschlag lang glaubte Jolanthe, sie sei zu weit gegangen,
doch dann fasste Sieglinde sich wieder.
    »Vater würde
die nie an sich heran lassen, das weißt du genau. Der Medikus hat seine Arbeit gut
gemacht.«
    Und außerdem
weißt du am besten, was er braucht, dachte Jolanthe, erhob sich und schöpfte mit
einem Becher Wasser aus einem Eimer. Sie trank in großen Schlucken, und es gelang
ihr, sich zu beruhigen.
    »Was ist,
wenn es länger dauert, bis Vater wieder gesund wird?«
    »Wir werden
ihn pflegen.«
    Jolanthe
stellte den Becher zurück ins Regal. Draußen auf der Straße lief eine Magd mit zwei
leeren Eimern vorbei. Ein leiser Fluch drang zum Fenster herein, als das Mädchen
in seiner Eile in einen Haufen Unrat trat. Sie wischte ihre Holzpantinen

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