Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
am Boden
ab und hastete weiter.
»Pflegen
musst du ihn zusammen mit Katrein. Ich führe das Geschäft weiter«, sagte Jolanthe
schließlich. »Irgendwer muss darauf achten, dass das Kontor läuft und Vater keinen
Trümmerhaufen vorfindet, wenn er wieder gesund ist.«
»Cornelius
wird die Dinge im Griff haben, meinst du nicht?«, erwiderte Sieglinde mit hochgezogener
Braue.
»Du täuschst
dich.« Cornelius, natürlich. Sah Sieglinde denn nicht, dass dieser Mensch nie und
nimmer fähig war, allein über ein Geschäft zu entscheiden? »Er arbeitet nicht selbständig.
Er macht nur das, was Vater ihm aufträgt.«
»Cornelius
weiß schon, was er tut. Du solltest ihm nicht zu sehr zwischen den Füßen stehen.
Vater wird sicher bald wieder ansprechbar sein und das Wichtigste regeln können,
auch wenn er nicht aufstehen kann. Aber du hast recht, du könntest als Laufbursche
zwischen den beiden dienen, damit sich Cornelius nicht immer herbemühen muss und
damit wertvolle Zeit verliert.«
Jolanthe
ärgerte sich. Ihr lag eine Erwiderung auf der Zunge, doch dieses Mal gelang es ihr
zu schweigen. Lass es gut sein, beschwor sie sich selbst. Streite nicht. Wir sind
beide erschöpft und besorgt, es bringt nichts, sich gegenseitig zu zermürben. Ich
werde mit Cornelius reden, und dann sehen wir weiter, dachte sie. Was auch immer
geschehen würde, sie wollte sich um die Geschäfte kümmern, und sie würde es gut
machen. Ihr Vater sollte stolz auf sie sein.
Als es hell genug war, um vor die
Tür zu gehen, begab sich Jolanthe unbemerkt von der Schwester auf den Weg zum Handelshaus
der Tuchkaufleute, in der Annahme, dort auf Cornelius zu treffen. Der hatte am Abend
zuvor kurz vorgesprochen und von Winalds Unfall erfahren, allerdings hatte sich
keine Möglichkeit ergeben, mit ihm zu reden. Die Sorge um den Vater war zu groß
gewesen.
Nun, wo
sich die Lage wieder etwas beruhigte, musste sie die Gelegenheit nutzen und das
weitere Vorgehen abklären. Jolanthe hatte nicht vor, sich die Dinge von ihm oder
Sieglinde aus den Händen nehmen zu lassen. Was wusste ihre Schwester denn schon
von den Geschäften? Die Münzen waren in ihrem Beutel, deshalb konnten sie ausgegeben
werden, einmal mehr für Tand als für etwas Sinnvolles.
Sie fand
Cornelius in dem Verschlag, den er für Winalds Ware angemietet hatte. Auf seiner
Stirn bildeten sich Sorgenfalten, als er sie sah.
»Wie geht
es ihm?«
»Macht Euch
keine Sorgen. Er hatte einen ruhigen Schlaf und wird sich bald erholen.« Sie wusste
nicht, wen sie damit mehr belog, sich selbst oder Cornelius. Der Vater hatte am
Morgen nicht so ausgesehen, als würde er bald das Bett verlassen können.
»Das freut
mich zu hören. Dann werde ich ihm am Nachmittag berichten und mir neue Anweisungen
holen bezüglich der Biberacher Weber. Er war sehr erzürnt über deren Verrat.«
»Das glaube
ich.« Jolanthe fasste ihn am Arm. »Hört, Winald wünscht, dass ich während seiner
Genesungszeit die Geschäfte führe. Nach außen sagen wir allen, er sei schnell gesund
geworden und in dringender Angelegenheit nach Nürnberg aufgebrochen. Ich habe sein
Siegel.« Sie zeigte ihm den Siegelring, den sie an einer Kette um den Hals befestigt
hatte. Er hatte nach der Behandlung des Arztes auf dem Tischchen neben der Lampe
gelegen, und Jolanthe hatte ihn zur Verwahrung an sich genommen. Sieglinde wusste
ohnehin nicht, wie wichtig dieses Siegel war.
»Es geht
ihm also doch nicht gut?« Cornelius zog eine Braue hoch, so als glaube er ihren
Ausführungen nicht. Kein Wunder, dachte sie. Er kennt meinen Vater viel zu gut und
weiß, dass er nie etwas freiwillig aus den Händen gibt.
»Doch, doch«,
beschwichtigte sie. »Aber wie Ihr wisst, führe ich sowieso die Bücher und werde
jedes Geschäft mit ihm absprechen. Habt keine Sorge. Was die Biberacher angeht,
reist morgen gleich in der Früh dorthin.« Sie gab ihm das Säckel voller Münzen,
das er von dem Weber Karcher wieder mitgebracht hatte. »Geht aber nicht zu unseren
Webern, sondern schaut Euch nach neuen Kontakten um.«
»Seid Ihr
sicher …«
»Wenn der
Karcher erkennt, dass sein Fehler Konsequenzen hat, wird er zu uns gekrochen kommen
und sich das nächste Mal gründlicher überlegen, ob er vertragsbrüchig wird.«
Cornelius
nickte. Sein mangelnder Widerspruchsgeist schien seine Skepsis zu überlagern. Typisch,
dachte Jolanthe und war dieses Mal doch ganz froh darum, dass Cornelius sich nicht
wehrte.
»Wen soll
ich ansprechen?«
»Das überlasse
ich
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