Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
ihn.Der Mann prüfte erneut und noch bevor er ihr ein
Angebot unterbreiten konnte, raunte sie ihm zu:
»Ich gebe
Euch das ganze Kästchen für 30 Schilling und die restlichen Pfefferkörner obenauf.«
Falten bildeten
sich auf seiner Stirn, als er die Brauen hochzog. Jolanthe fürchtete abermals, zu
weit gegangen zu sein. Sie biss sich auf die Unterlippe und zwang sich zur Ruhe.
Der Mann wiegte den Kopf hin und her, so als überlege er. Endlich schlug er ein.
Er zahlte ihr die Münzen auf die Hand, die sie rasch in ihrem Säckel verschwinden
ließ. Als er mit dem restlichen Pfeffer und dem Safrankästchen abgezogen war, schaute
sie Martha an. Die verdrehte die Augen.
»Kaufmannspack!
Mit allen Wassern gewaschen. Es hätte schiefgehen können.«
»Aber das
ist es nicht.« Jolanthe blieb wenig Zeit, sich zu freuen, denn ihr Blick fiel auf
die Gestalt von Katrein. Hastig drehte sie sich um, ging in die Hocke, um vom Tisch
zum Teil verdeckt zu werden, und tat so, als sortiere sie etwas in einem Korb. Sie
hörte Martha mit einer Kundin, die sie kannte, scherzen und bewegte sich leicht,
um aus den Augenwinkeln zu sehen, wie Sieglinde sich am Töpferstand gegenüber umschaute.
Auch das noch, dachte Jolanthe. Ihre Schwester hatte einen Teller der teuren, glasierten
Ware in den Händen und betrachtete ihn. Sie wird doch nicht!Die Freude über
ihren gelungenen kleinen Handel schwand gänzlich. Ich verkaufe meinen Schmuck, um
die Kasse des Kontors zu füllen, und meine Schwester gibt die Münzen mit vollen
Händen wieder aus, ohne Gedanken.
»Sie sind
jetzt weitergegangen«, hörte sie schließlich Marthas Stimme. Jolanthe erhob sich,
sah die Freundin an und sagte: »Keinen Pfennig von meinem verdienten Geld werde
ich in die Kontorkasse tun!«
»Ich hoffe,
du hast nicht mal im Traum an so was gedacht«, antwortete Martha. »Wenn du Geschäfte
machen willst, brauchst du Geld, um Ware zu kaufen. Willst du, dass deine Schwester
es vorher ausgibt?«
»Das mit
dem Pfeffer und dem Safran war nur der Anfang.«
»Weißt du,
dass ich ein klein wenig stolz auf dich bin?« Martha zwinkerte, doch Jolanthe wiegelte
ab.
»Warte,
bis ich mich wirklich bewähren konnte. Dies hier war noch nicht genug.«
»Wenn du
nur nicht immer dieses schlechte Gewissen gegenüber deinem Vater entwickeln würdest.
Du fühlst dich schuldig, wo du es nicht bist. Ich jedenfalls helfe nur dir und nicht
dem Pack, das sich deine Familie nennt, merk dir das.«
Ich kann nicht leugnen, dass es
mir lieber gewesen wäre, sie wäre fort geblieben, dachte Sieglinde wohl nun schon
zum hundertsten Mal. Aber die Schwester würde ihr diesen Gefallen nicht tun. Wenn
sie irgendetwas erkannt hatte in den letzten Tagen, dann dies. Und wenn sie ehrlich
war, an Jolanthes Stelle hätte sie auch nicht locker gelassen. Was erwartete sie
für ein Leben, wenn sie so mir nichts, dir nichts verschwand? Jetzt werde ich auch
noch Mitleid mit ihr bekommen, schimpfte sie mit sich selbst. So weit kommt es noch.
Sie ist alt genug, sie weiß selbst, dass es einfacher wäre, sie würde sich fügen.
Sieglinde
befand sich mit Katrein auf dem Weg zum Markt. Sie folgte der Magd, die ihr von
den neuen Gefäßen erzählt hatte, die der Töpfer auf seinem Stand stehen hatte. Sieglinde
hatte bereits vor einiger Zeit beschlossen, dass die stumpfen, braunen Teller und
Becher, erst recht die Holzschalen, zu wenig her machten für Gäste, die sie bewirteten.
Was sollte ein hochangesehener Kaufmann denken, wenn sie mit abgeschlagenem Geschirr
ankam? Dass er sich im Haus vertan hatte, ganz sicher. Die Fenster an der gesamten
Straßenfront waren ein Anfang gewesen, aber das reichte nicht. Und so wenig sie
sich an Vicos Gegenwart in ihrem Leben gewöhnen wollte, wenigstens in diesem Punkt
waren sie sich einig. Man musste etwas darstellen nach außen, sonst wurde man nicht
wahrgenommen.
Vico hatte
ihr großzügig Münzen aus der Schatulle des Kontors gegeben, als sie ihn darum bat.
Sie wusste nicht, ob das Geld aus seinem Erbe kam oder ob er es aus Vaters Rücklagen
nahm, doch das war ihr im Grunde auch gleich. Solange er versicherte, es wäre genug
da, glaubte sie ihm, warum auch nicht.
Sie wechselte
ein paar Worte mit dem Töpfer, der ihr erklärte, wie er den Glanz auf die glasierte
Ware bekam. Es interessierte sie nicht, deshalb ließ sie ihn reden, während sie
mit den Fingerspitzen über die glatte Oberfläche eines Tellers strich. Wunderschön.
In ihrem Geist sah sie eine festlich gedeckte
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