Die Tochter von Avalon - Avalon High
was ich gerade getan hatte - und von dem nur wir beide wussten, Marco und ich.
»Ich weiß nicht«, meinte ich unsicher. »Ich hab das noch nie gemacht. Bei mir daheim in Minnesota wird nicht viel gesegelt.«
»Oh, du wirst es lieben«, beruhigte mich Marco. »Stimmt doch, Will?«
»Ja, das wirst du«, gab ihm Will begeistert Recht. »Wir treffen uns morgen Mittag um zwölf im Hafen bei der Alex-Haley-Skulpturengruppe. Weißt du, wo die ist?« Als ich nickte, sagte er: »Klasse. Dann bis morgen.«
Anschließend eilte er die Treppe runter, um Jennifer zu suchen. Und so blieb ich allein mit Marco zurück …
… mit dem ich auf keinen Fall hier herumstehen und plaudern würde.
»Ja, dann bis morgen«, verabschiedete ich mich, bevor ich selbst auch auf die Treppe zusteuerte. Hau ab , schien mein Herz mir mit jedem Schlag zu sagen.
Aber ich bewegte mich nicht schnell genug, denn Marcos Stimme wand sich wie eine Schlange um den Treppenabsatz und zog mich beinahe körperlich in seine Reichweite zurück, als er mich mit einer eindeutigen Anspielung im Tonfall fragte: »Du hast Jen eben nicht wirklich gehört, oder, Elaine von Minnesota?«
Ich erstarrte, mit einem Fuß auf der Treppe, dem anderen noch immer im ersten Stock. Aus irgendeinem Grund war mir das Blut … nun, in den Adern gefroren.
»Tut mir leid«, erwiderte ich. »Aber ich … ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.«
»Oh, ich denke schon«, sagte Marco mit einem Augenzwinkern. Dann ging er, während ich ihn beobachtete, zu der Tür, die Will um ein Haar geöffnet hätte, und schlug dagegen. Nur einmal, mit der Seite seiner geballten Faust.
»Jen«, rief er. »Bist du da drin?«
Nach einer kurzen Pause schallte von innen eine dünne Stimme durch die Tür. »Äh, ja. Nur eine Sekunde. Bin gleich da.«
Marco sah wieder zu mir und schüttelte den Kopf.
»Netter Versuch«, meinte er. »Aber irgendwann wird er ihnen auf die Schliche kommen.«
Also hatte ich mich nicht geirrt. Er hatte es gewusst. Er hatte es die ganze Zeit über gewusst. Er war darauf aus gewesen, dass Will diese Tür öffnete und die beiden fand.
Wie krank muss man sein, um so etwas zu tun ?
So krank wie Wills Stiefbruder offensichtlich.
»Hm«, sagte ich, mich absichtlich doof stellend. Er hatte es gewusst . Aber das war noch nicht einmal das Seltsamste daran. Ich hatte gewusst , dass er es wusste. »Ich muss jetzt gehen -«
Marco ließ sich davon jedoch nicht aus dem Konzept bringen. Er redete nicht nur in einer Tour weiter, sondern durchmaß auch die körperliche Distanz zwischen uns mit zwei langen Schritten und packte anschließend meinen Arm mit Fingern, die derart kalt waren, dass sie auf meiner Haut brannten. Er hielt mich mit so eisernem Griff, dass ich nicht einmal wie geplant die Treppe runterlaufen konnte.
»Was hast du damit eigentlich bezweckt?«, wollte Marco mit einem spöttischen Lächeln wissen. »Ihn beschützen?«
»Lass meinen Arm los«, verlangte ich mit leicht zittriger Stimme. Irgendetwas an seiner Berührung jagte mir echt eine Gänsehaut ein.
Wie ich dann feststellte, war ich nicht die Einzige, der es so erging. Ich hörte ein tiefes Geräusch irgendwo in der Nähe meiner Füße und sah, dass Wills Hündin Cavalier - die ihrem Herrchen nicht, wie ich angenommen hatte, nach unten gefolgt war - auf dem weißen Teppich eine geduckte Stellung angenommen hatte und Marco nun sanft anknurrte.
Ungelogen. Sie knurrte Marco an.
Er bemerkte es ebenfalls und sagte mit angewiderter Stimme zu dem Hund: »Lass mich in Ruhe, du blöder Köter.«
Dann stieß Marco mich von sich, und zwar so hart, dass ich in die Knie ging und mich am Geländer festhalten musste, um nicht die Treppe runterzufallen.
In diesem Moment hörte Cavalier auf zu knurren. Sie kam mit schnellen Schritten zu mir gelaufen und leckte die Stelle an meinem Arm ab, wo er mich berührt hatte.
»Oh, bitte«, lautete Marcos überaus sarkastischer Kommentar, als er das sah. Dann schüttelte er, während er
mich - mitsamt meiner schnellen Atmung und meiner um das Geländer gekrampften Hand, aus der die Knöchel weiß hervortraten - anstarrte, wieder den Kopf und sagte: »Du solltest noch nicht mal auf seiner Seite sein. Eigentlich bist du dazu bestimmt, den anderen zu mögen. Was für eine Art von Lilienmaid bist du bloß?«
Ich blinzelte zu ihm hoch. Lilienmaid? Ach ja, richtig. Die Lilienmaid von Astolat, was ein anderer Name für die Lady von Shalott war - nach der man mich benannt hatte. Wie
Weitere Kostenlose Bücher