Die Tochter von Avalon - Avalon High
ein paarmal. »Jen?«
»Ja.« Marco sah mich an. Nicht anklagend. Nur forschend, so als würde er sich fragen, wer ich war und was ich wohl getan hatte, dass sein Stiefbruder plötzlich so benommen schien.
Ich hätte ihm die Antwort in drei Worten geben können: niemand und nichts.
»Ich dachte, Jen wäre bei dir«, sagte Marco. Jetzt wirkte er plötzlich doch anklagend.
»Ich habe Jen nicht mehr gesehen, seit sie vor einer halben Stunde weggegangen ist, um ihren Lippenstift nachzuziehen.« Doch Will hörte sich nicht so an, als würde er sich darüber Gedanken machen.
»Auf jeden Fall muss sie ihr Auto wegfahren«, verkündete Marco. »Mrs. Hewlitt kann nicht aus ihrer Einfahrt raus und droht damit, die Bullen zu rufen.«
Will murmelte etwas, das wie ein Kraftausdruck klang. Dann sagte er zu mir: »Tut mir leid, Elle. Ich muss sie suchen gehen.«
»Kein Problem«, erwiderte ich hastig und hoffte dabei, dass man mir meine Enttäuschung über die Unterbrechung
nicht anmerkte. Immerhin hatte er mich wieder Elle genannt. »Ich sollte sowieso gehen. Liz und Stacy wundern sich wahrscheinlich schon, wo ich abgeblieben bin.«
Will sah eine Sekunde lang so aus, als wüsste er nicht, wovon ich sprach. Dann sagte er nickend: »Ach, stimmt ja. Dann komm. Ich bring dich noch raus.«
Mit Cavalier an seiner Seite ging er auf die Tür zu, die zu der Treppe führte. Ich folgte ihm, und Marco bildete die Nachhut.
Auf dem Weg hinunter in den ersten Stock fragte er Will in einem Tonfall, der mir nicht sehr gefiel, ohne dass ich hätte sagen können warum: »Willst du mich deiner Freundin nicht vorstellen?«
»Oh, entschuldige. Elaine Harrison, mein Stiefbruder Marco Campbell. Marco, das ist Ellie.«
»Hallo«, sagte ich über meine Schulter, als wir gerade im Flur ankamen.
Marco grinste - eines dieser Grinsen, die in Büchern oft als wölfisch bezeichnet werden.
»Schön, deine Bekanntschaft zu machen, Elaine.« Dann wandte er sich zu Will. »Ich glaube, irgendjemand hat gesagt, dass Jen da reingegangen ist.« Er nickte in Richtung der Tür, hinter der ich Jennifer und Lance in flagranti erwischt hatte.
»Alles klar«, erwiderte Will.
Dann legte er seine Hand auf den Türknauf -
»Nein, warte«, schrie ich, bevor ich überhaupt wusste, was ich da tat.
Will warf mir einen fragenden Blick zu. Das Gleiche tat sein Hund. Marcos Blick war der einzige, der nicht fragend war. Seiner war überrascht.
In diesem Moment wusste ich Bescheid.
Plötzlich fühlte ich mich wieder, als müsste ich mich übergeben. Außer dass ich keine Zeit dazu hatte.
»Wa-war sie das nicht gerade?«, stammelte ich.
Wills Hand verharrte weiter auf dem Türknauf.
»Wo?«, fragte er.
»Hat sie dich nicht gerade gerufen?« Praktisch über meine eigenen Füße stolpernd, rannte ich zu der Treppe, die ins Erdgeschoss führte. »Er kommt gleich«, rief ich hinunter.
Die Leute, die am Fuß der Treppe standen, sahen mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.
Aber das war egal, weil Will sie nicht sehen konnte.
»Sie ist unten«, hörte ich mich selbst zu Will sagen.
Zu meiner riesigen Erleichterung ließ er nun endlich den Türknauf los.
»Okay. Tja dann, bis bald.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging auf die Treppe zu.
In diesem Moment passierte es. Es kam zu einer Wendung, die ich anschließend nie so richtig erklären konnte. Auch mir selbst nicht.
Alles, was ich weiß, ist, dass Will in Richtung der Treppe ging und ich mich Marco zuwandte, um zu sehen, ob er ihm folgen würde …
Nur um Marco dabei zu ertappen, wie er mich mit einem amüsierten Blick auf seinem Gesicht musterte, so als wäre ich eine Katze, die plötzlich angefangen hat, die Stellenanzeigen zu lesen. Und zwar laut.
»Will«, sagte er, ohne seine Augen - die so dunkel waren wie die seines Stiefbruders hell - von mir abzuwenden.
»Warum lädst du Elaine nicht ein, morgen mit uns segeln zu gehen?«
»Ach ja.« Will blieb auf dem Treppenabsatz stehen und sah uns an. »Das ist eine großartige Idee. Gehst du gern segeln, Elle?«
Elle. Ich schluckte schwer.
»Ähm.« Was zum Teufel ging hier bloß vor sich? Obwohl ich hellauf begeistert war, an irgendeinem von Wills Plänen teilhaben zu dürfen, konnte ich nicht anders, als mich zu fragen, warum Marco wollte, dass ich mitkam. Er kannte mich noch nicht mal.
Und nach der Art zu urteilen, wie er mich ansah, war ich mir auch alles andere als sicher, ob er mich überhaupt leiden konnte. Besonders nach dem,
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