Die Todesbraut
dem Raum und seiner Anordnung der Flaggen der Streitkräfte bestens vertraut, denn er hatte hier bereits mehrmals und mit mehr als einem Präsidenten gesprochen. Heute saß wieder ein anderer Präsident hinter dem Schreibtisch, dieses Mal war es Bill Clinton, aber Keogh überraschte vor allem der zweite Besucher, der es sich in einem Ohrensessel gemütlich gemacht hatte: John Major.
»Ah, da sind Sie ja, Patrick. Ich freue mich, daß Sie Ihren Besuch trotz der kurzfristigen Einladung möglich machen konnten«, begrüßte ihn Clinton. »Ich nehme an, Sie beide kennen sich?«
»Herr Premierminister.« Keogh streckte ihm die Hand entgegen, und John Major erhob sich. »Es ist mir ein Vergnügen, Senator«, sagte er.
»Bitte nehmen Sie Platz, wir wollen gleich zur Sache kommen«, forderte Clinton seinen Besucher auf. »Übrigens, dort steht Kaffee, wenn Sie möchten.«
»Oh, ja, gerne«, bedankte sich Keogh und schenkte sich eine Tasse ein. Dann kehrte er an den Schreibtisch zurück und nahm auf einem der Besuchersessel Platz. »Zu Ihren Diensten, Mr. President.«
»Ich würde Sie gerne beim Wort nehmen, aber es fällt mir nicht leicht, Ihnen mein Anliegen zu unterbreiten.«
Patrick Keogh führte soeben die Tasse zum Mund, hielt inne und zauberte dann das leicht schräge Grinsen auf sein Gesicht, das als sein persönliches Markenzeichen bekannt war und seinen Zügen ungeheuren Charme verlieh.
»Ich kann es kaum erwarten, Mr. President. Ich weiß jetzt schon, daß Sie mir etwas ganz Besonderes mitzuteilen haben.«
»Das habe ich, Patrick. Tatsächlich ist es wahrscheinlich von größerer Bedeutung als alles, womit Sie in Ihrer bisherigen politischen Laufbahn zu tun hatten.«
»Worum handelt es sich denn?«
»Um Irland und den Friedensprozeß.«
Keogh zögerte, sein Gesicht war schlagartig ernst ge worden. Er leerte bedächtig seine Tasse und stellte sie anschließend auf dem Serviertisch neben sich ab.
»Bitte fahren Sie fort, Mr. President.«
»Wir wissen, wie sehr Sie sich in Zusammenarbeit mit anderen irischstämmigen Amerikanern hinter den Kulissen um den Frieden in Irland bemüht haben«, ergriff John Major das Wort. »Auch die Besuche des ehemaligen Kongreßabgeordneten Bruce Morrison und seiner Freunde in Irland haben sich als wertvoller Beitrag zu den notwendigen Beratungen herausgestellt.«
»Sehr freundlich, Premierminister, das zu erwähnen«, sagte Keogh. »Aber das bedeutet keine Last für uns. Das Blutvergießen dauert schon zu lange. Diese Sache in Irland muß endlich zu einem Ende kommen. Worum wollten Sie mich nun bitten?«
»Wir möchten, daß Sie für uns nach Irland fahren«, sagte der Präsident.
»Lieber Gott!« Keogh warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Ich soll nach Irland? Aber warum?«
»Weil Sie, wie die Iren sagen, einer der ihren sind. Sie sind ebenso irisch wie die Familie der Kennedys. Ich habe gelesen, was ablief, als Präsident Kennedy 1963 nach Irland kam und die ehemalige Farm der Kennedys besuchte.« Clinton warf einen Blick auf ein vor ihm liegendes Blatt Papier. »Dungonstown hieß der Ort. Sie begleiteten ihn damals.«
Patrick Keogh nickte. »Ja, sein Urgroßvater verließ Irland im neunzehnten Jahrhundert und ließ sich im Osten von Boston als Küfer nieder. Etwa zur gleichen Zeit wanderten auch meine Vorfahren aus.« Er lächelte John Major an. »Ohne jemanden beleidigen zu wollen, Premierminister, aber England ließ zu der Zeit einer Vielzahl von Iren kaum eine andere Wahl, als zu emigrieren.«
»Das ist leider wahr«, nickte John Major. »Zu unserer Ver teidigung möchte ich allerdings anführen, daß auch viele Iren nach England kamen und es dort zu einem Wohlstand brachten. Schätzungen zufolge sind mindestens acht Millionen Menschen der Bevölkerung Englands Iren oder irischer Abstammung.«
»Das stimmt«, meinte Keogh. »Dennoch ist unsere Tradition in Amerika besonders stark. Erinnern Sie sich daran, als ich mit Präsident Kennedy nach Berlin fuhr und er seine berühmte Rede hielt? Er forderte das kommunistische System heraus, indem er den Satz sagte: ›Ich bin ein Berliner‹. In jenem Moment der Geschichte war er der berühmteste Mann der Welt.«
»Absolut«, stimmte John Major zu. »Und das verdientermaßen.«
»Anschließend reiste er nach Irland, genauer gesagt nach Dublin, wo er in unserer Botschaft am Phoenix Park logierte. Dann fuhr er nach Wexford und weiter
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