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Die Todespfeiler

Die Todespfeiler

Titel: Die Todespfeiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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kommen!«
    Orankon war keine Stadt mehr, sondern ein Gebiet, in dem der Irrsinn regierte. Ein riesiger Vogelschwarm strich über den Kai und das Hafenwasser hinweg. Die einzelnen Tiere flogen im wirren Zickzack.
    Plötzlich näherten sich wieder die drei Lauscher. Sie stolperten und sprangen in ekstatischen Sätzen auf das Heck der Guinhan zu, schüttelten die Fäuste und schwangen ihre hölzernen Waffen.
    Ihre Rede war ein seltsamer Singsang geworden, eine Art Litanei, gespickt mit Flüchen und Verwünschungen.
    Necron und Odam mit seinen Leuten konnten heraushören, daß die Männer die Guinhan verfluchten.
    »Versprechen es dir, Skyll! Und wir versprechen es auch dir, Exinn!«
    Wieder folgten unverständliche Sätze. Ein Lauscher trat in eine Fackel, aber er bemerkte es nicht. In einem schauerlichen Chor schrien die drei Männer weiter:
    »Wir opfern euch die Mannschaft dieses frechen und unbotmäßigen Eindringlings! Alle! Niemand von der Guinhan wird überleben…«
    Noch einmal stimmten sie ihren gräßlichen Singsang an. Die Besatzungsmitglieder des Schiffes aus Logghard standen an der Reling, die Hände an die Ohren gepreßt und schwankten unter dem Ansturm des Wahnsinns, der ihre Seelen und Körper marterte. Hin und wieder faßte einer an den Schwertgriff oder an das Holz der zweischneidigen Schiffsäxte.
    »Nur Ruhe!« schrie Necron und machte beschwichtigende Bewegungen zu seinen Leuten. Jedesmal, wenn er den Stein von seiner Stirn wegnahm, spürte er die tausend Nadeln des Wahnsinns, und die Schreie wurden doppelt und dreifach so laut wie bisher.
    »Hierher, Kermon!« hörte Necron einen anderen Ruf.
    Für einige Momente war der Kai leergefegt. Dann rannten zwischen den Häusern erschöpfte Menschen hervor. Nur etwa ein Dutzend war es, die sich ziellos hierhin und dorthin bewegten und in einem schaukelnden Gang rannten.
    Jeder Muskel und jede Sehne ihrer Körper war in tobendem Aufruhr. Sie schlenkerten und warfen ihre Glieder auf merkwürdige, nie gesehene Weise. Starr vor Schrecken blickte die Mannschaft des Logghard-Schiffes auf die Menschen und deren Schatten auf dem Pflaster und an den Hausmauern.
    Hinter den Flüchtenden, die nicht wußten, was sie taten und wohin sie rannten, erschienen die Stürmer.
    Sie trugen dunkle Kleidung und dunkle Rüstungen.
    Ihre Arme schwangen Peitschen mit überlangen Schnüren. Netze, am Rand mit Kugeln beschwert, wirbelten durch die Luft. Wurfschlingen kreisten über die Köpfe und senkten sich, nachdem sie viele Schritte weit durch die Luft gesaust waren, auf die Körper der Rennenden. Peitschenschnüre wickelten sich um die Beine und brachten die Flüchtenden zu Fall. Wie die Schakale warfen sich die Verfolger über jedes Opfer und fesselten es mit schnellen, geübten Handgriffen.
    Necron stöhnte auf.
    »Welch ein Wahnsinn!« murmelte er. Er rief sich abermals ins Gedächtnis, daß er sich in der Düsterzone und dicht vor dem Rand der Dunkelzone befand. Hier war alles, aber auch alles möglich – und es zählte zu den alltäglichen Vorkommnissen. Seine Männer standen erstarrt hinter ihm und beobachteten die Szenen.
    Vor der verschlossenen und verriegelten Tür einer Schenke, neben der noch zwei Fackeln rußend loderten, kämpften zwei der wahnsinnigen Stadtbewohner gegeneinander. Sie gingen mit nassen Taustücken und hölzernen Prügeln aufeinander los und taten, als würden sie die Verwundungen und Schmerzen nicht spüren.
    Eine kleine Gruppe Stürmer näherte sich ihnen schnell und lautlos. Aber selbst wenn sie mit wilden Schreien auf die Wahnsinnigen losgegangen wären, würden diese es nicht gehört und gemerkt haben. Sie waren in ihr schauerliches Werk vertieft und kümmerten sich nicht um das, was hinter oder neben ihnen passierte.
    Einer nach dem anderen wurde weggeschleppt.
    Ununterbrochen huschten die schwarzgekleideten Männer mit ihren Fangnetzen und Schlingen hin und her. Es verschwand der Körper, der neben dem Poller gestürzt war. Sie schleppten jenen vor, der sich in die Schenke hatte retten wollen. Und sie trugen den Körper dessen irgendwohin, der versucht hatte, über die Laufplanke auf eines der wracken Schiffe zu torkeln.
    »Wohin bringen sie die Opfer?« fragte sich Necron in steigendem Entsetzen.
    Noch mehr Stürmer kamen aus den schmalen Gassen zwischen den Häusern. Sie rannten durch die Zonen aus Dunkel und Helligkeit auf das benachbarte Schiff zu. Einige von ihnen schleppten Bretter und Leitern mit sich, die sie vor dem Heck der Guinhan

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