Die Todespfeiler
Seeleute aus Logghard stellten sich auf die Bretter und hielten ihre Waffen bereit. Schon wenige Augenblicke später versammelten sich die Stürmer auf dem Kai und griffen an. Noch niemals während aller Wahnsinnsperioden waren es so viele gewesen, und nicht ein einziges Mal hatten sie derartig wütend angegriffen. Sie schienen heute von einer Unerschöpflichen Kraft und von wilder Wut besessen zu sein. Mit ächzenden Schreien warfen sie sich immer wieder über die schrägen Planken, ihre Peitschen pfiffen ununterbrochen, und die Netze und Wurfseile trafen die neuen Aufbauten der Guinhan wie ein seltsamer Hagel. Der Wahnsinn konnte länger anhalten, aber Necron hoffte inständig, daß er diesmal so kurz wie möglich herrschen würde. Die Loggharder wehrten sich erbittert, jeder Mann, der das schräge Deck erklettern wollte, wurde ins Wasser gestoßen. Länger als eine Stunde dauerte der wütende Kampf gegen die Männer Kermons. Niemandem fiel auf, daß der Anführer nicht unter ihnen war. Ununterbrochen kletterten die Stürmer aus dem Wasser, versuchten, sich an den wenigen Vorsprüngen des Schiffes festzuklammern, damit ihre Mitstreiter an ihren Körpern höher hinaufklettern konnten. Kreuz und quer spannten sich die abgeschnittenen Seile der Peitschen und Wurfleinen über die Planken. Die Hiebe der Knüppel krachten dumpf. Ein Chor aus Flüchen und Schreien würde immer leiser, je länger der Kampf dauerte, und als schließlich die langgezogenen Rufe der Todesfelsen schwächer wurden und aufhörten, endete der Kampf in erbittertem Schweigen und Keuchen.
Necron warf den zersplitterten Knüppel auf die Planken und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Jetzt bin ich gerade in der rechten Laune, mit dem Troll zu sprechen. Odam?«
»Wir werden ihm sagen, was wir von Orankon und seinem Reich halten. Los, Männer. Wir brechen auf.«
Zehn Schlackenhelm-Krieger, eingeschlossen Prinz Odam, Necron und die beiden Kräftigsten und Gewandtesten der Mannschaft, hoben ihre Knüppel und Stöcke auf. Necron übertrug, das Kommando und die Verantwortung seinem erfahrenen Steuermann. Sie alle zitterten vor Wut, sammelten sich zu einer Gruppe und marschierten los. Das Ziel, der dunkle Palast auf der obersten Erhebung des Stadthügels, war nicht zu verfehlen.
»Von den Stürmern haben wir nichts zu befürchten!« stellte Necron fest, als sie dreihundert Schritt weit in das Gewirr aus Hauswänden, Toreingängen und vom Regen tief ausgewaschenen Wegen eingedrungen waren. Es ging in Serpentinen aufwärts, an unzähligen steinernen Ohren und vielen Höhleneingängen vorbei. Überall öffneten sich zögernd Tore und Türen und Fenster. Es gab viel zu viele Öffnungen, und hinter jeder spähten Gesichter hervor und sahen den Fremden nach.
»Auch eine große Menge Lauscher kann gefährlich werden«, antwortete Odam und sprang eine Reihe ausgetretener Steinstufen hinauf.
Einmal wandten sie sich um und sahen die Guinhan inmitten der vielen Wracks, erkannten die Ausdehnung des Hafens und blickten über die Felsen und Hausdächer weit hinaus aufs Meer. Nicht ein einziges Segel war zu erkennen.
Der Palast zeigte sich als eine Ansammlung runder Türme unterschiedlicher Größe und Durchmesser, die sich mit ihren schwarzen, klobigen Wänden berührten. Eine gewundene, breite Treppe führte jenseits der letzten Häuser durch einen schütteren Wald und in den mittleren Turm hinein. Die ersten Lauscher tauchten auf und zeigten den Fremden den Weg in das Gemäuer. Generationen schien hier ihre Abfälle aus den Mauerschlitzen und über die Zinnen geworfen zu haben, denn auf den dicken Schichten aus Unrat wuchsen Kletterpflanzen und stacheliges Unkraut. Ein Bohlenportal öffnete sich knirschend und knarrend. Kühle, nach unbekannten Kräutern riechende Luft schlug den Logghardern entgegen.
»Wir halten uns nicht lange auf«, ordnete Necron an. Sein Unbehagen stieg von Schritt zu Schritt.
»Merkt euch jeden Schritt!« schärfte Odam seinen Männern ein. Das Innere der Türme bestand aus einem breiten Gang, von dem Nischen, kleinere Querstollen und Türen abzweigten. Viermal ging es über kurze Treppenstücke aufwärts. Einige Lauscher folgten ihnen schweigend; sie wirkten, obwohl sie nichts unternahmen, dennoch bedrohlich. Licht kam aus schmalen Schlitzen der Mauern, in die rätselhafte Muster und Fabelgestalten gemeißelt worden waren.
Die letzte Treppe endete vor einer niedrigen Tür aus Metall. Diese öffnete sich vor den Fremden. Sie
Weitere Kostenlose Bücher