Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
selbst …»
    «Er hat einen anderen Fall. Was ist passiert?» Ich betrat die enge Zweizimmerwohnung, in der sich Polizisten und Sanitäter drängten.
    «Jaana Markkanen sitzt im Wohnzimmer. Ihre Tochter Minni, neun Monate alt, lag heute früh tot im Bettchen.»
    «Wer hat die Kleine gefunden?»
    «Frau Markkanen selbst, kurz nach sieben. Sie hat sofort einen Krankenwagen gerufen, aber es war zu spät. Die Sanitäter haben uns alarmiert.»
    «Warum?»
    «Komm mit und schau dir das Kind an», sagte Pihko zö
    gernd.
    Ich folgte ihm ins Schlafzimmer. Es war klein und spärlich möbliert, eine schmale Matratze auf dem Fußboden, an der anderen Wand ein weißes Gitterbettchen mit abblätterndem Lack, in dem das tote Kind lag. Der Mund war weit aufgerissen, die Augen standen hervor, der kleine Körper hatte sich verkrampft wie zu einem stummen Schrei.
    «Erstickt», sagte einer der Sanitäter.
    «Im Schlaf unter das Kissen gerutscht?», war das Erste, was mir einfiel.
    «In dem Alter schlafen sie ohne Kissen», erwiderte der Sanitäter. «Es lag auch keins im Bett, als wir kamen. Siehst du die Blutergüsse? Der Kleinen hat ein Erwachsener die Luft abgedrückt.»
    Es war heiß in der Wohnung, sie roch nach Rasierwasser, Schnaps und Erbrochenem. Der kleine blaue Schlafanzug hatte ein Loch am Knie, Breiflecken zierten den verblichenen Stoff. Das Mädchen hatte zarte blonde Löckchen und molli-ge Finger, eine Hand ragte durch die Gitterstäbe. Plötzlich schwankte das Bettchen wie ein Schaukelpferd. Ich musste mich an der Wand abstützen und einen Moment die Augen schließen.
    Es klingelte, der Fotograf war da. Seine Ankunft brachte mir zum Bewusstsein, dass Arbeit auf mich wartete.
    «Die Mutter hat also den Krankenwagen gerufen. Was hat sie gesagt?»
    «Der Notrufzentrale zufolge hat sie hysterisch geschrien, ihr Kind atme nicht mehr. Name und Adresse zu erfahren hat eine Weile gedauert. Bei unserem Eintreffen war definitiv nichts mehr zu machen, das Kind war schon mehrere Stunden tot.»
    «War außer der Mutter noch jemand hier?»
    «Nein», antwortete Pihko. «Sie lebt allein. Sie hat einen fürchterlichen Kater, vielleicht ist sie auch noch betrunken, ich weiß es nicht. Bei Verstand ist sie jedenfalls nicht.»
    Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen musste ich einer trauernden Mutter gegenübertreten. Ich ging in das kleine Wohnzimmer, das ebenfalls dürftig eingerichtet war. Der einzige Luxus war ein Fernseher mit 28ZollBildschirm vor dem Fenster.
    Jaana Markkanen war eine junge Frau, fast noch ein Kind.
    Sie war extrem mager, unter dem kurzen, bunten Nachthemd schauten dünne Waden hervor, unterhalb des linken Fußknöchels war ein Drache auftätowiert. Jaana weinte zuckend und lautlos, Tränen und Rotz liefen ihr über das Gesicht. Vor der Balkontür sah ich eine bräunliche Pfütze, offenbar hatte sie es nicht mehr geschafft hinauszulaufen, bevor sie sich übergeben musste.
    «Jaana?», sagte ich behutsam und setzte mich zu ihr auf das dunkelgrüne Plüschsofa, Modell Flohmarkt.
    «Mein Kind ist tot», wisperte Jaana. «Minni …»
    «Ruf einen Arzt», wies ich Puupponen an, der neben dem Fernseher stand und Jaana anstarrte. «Und wisch die Kotze auf, der Gestank ist nicht auszuhalten.»
    «Sie wollte auf den Balkon, runterspringen, hat sie gesagt, und als ich sie festgehalten habe, hat sie mich voll gekotzt», klagte Puupponen.
    Jaana fasste mich an der Schulter und rückte näher. Die ro-sinenfarbenen Augen zwinkerten, ihr Blick wanderte von meinem Gesicht zu meinem Bauch.
    «Du kriegst ein Baby?»
    «Ja.»
    «Wann kommt es? Gib es mir, mein Baby ist tot!»
    Wieder weinte sie lautlos, hob das Nachthemd an und wischte sich damit über das Gesicht. Sie trug keine Unterwä
    sche, eine violette Kaiserschnittnarbe zog sich über ihren Bauch.
    «Das hab ich nicht gewollt», stieß sie hervor. «Ich hab’s nicht mehr ausgehalten, wie sie schrie, ich war total blau und wollte bloß noch schlafen. Du glaubst mir doch, wo du selbst ein Baby im Bauch hast! Ich wollte Minni nicht totmachen.
    Ich hab sie bloß gedrückt, und dann hat sie nicht mehr ge-brüllt.»
    Der Fotograf hatte seine Arbeit unterbrochen, Puupponens Finger waren über den Tasten des Telefons erstarrt. Jaana Markkanen warf sich in meine Arme und schrie, ich strich ihr über die verfilzten, schwarz gefärbten Haare und sprach beruhigend auf sie ein. Puupponen wischte das Erbrochene auf, als sei er froh, etwas tun zu können. Am liebsten hätte ich mir die

Weitere Kostenlose Bücher