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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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ich jedoch zu Hause an.
    «Hallo», antwortete Antti schwer atmend. «Ich hab das Auto geholt, bin gerade reingekommen. Was war denn da passiert? Die Nachbarn haben von einem Kindsmord gesprochen. Bist du okay, Maria?»
    In Jaana Markkanens Wohnung hatte ich nicht gewagt, Antti selbst anzurufen, aus Angst, die Tränen nicht mehr zu-rückhalten zu können, wenn ich seine Stimme hörte. Ich hatte Recht gehabt, denn jetzt fing ich an, so wüst zu heulen, dass Antti in Panik geriet. Zum Glück war der Anfall bald vorbei, nach ein paar Minuten war ich fähig, ihm zu erzählen, was passiert war.
    «Dem Ström polier ich die Fresse, wenn ich ihn zu Gesicht kriege», wetterte Antti.
    «Lass gut sein, ich kann schon auf mich aufpassen. Und irgendwie hat er ja Recht. Wenn ich im Beruf vorwärts kommen will, kann ich mich nicht drücken.»
    Allerdings nahm ich mir vor, möglichst bald mit der Psy-chologin Eva Jensen, der Frau von Anttis Kollegin, zu reden.
    Ich wollte nicht abstumpfen.
    «Komm mich abholen, dann gehen wir irgendwo essen.
    Heute brauche ich mein wöchentliches Glas Wein.»
    Antti versprach, gleich loszufahren. Unschlüssig betrachtete ich die Rückrufzettel. Kauko Nieminen … Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, das Alibi von Nooras Eltern zu überprüfen. Aber bei wem wäre sie vertrauensvoller eingestiegen als bei ihren Eltern? War Hanna bei dem Regen doch zur Halle gefahren, um ihre Tochter abzuholen, oder hatte Kauko sie auf dem Rückweg von der Firma aufgelesen?
    Immerhin kam es vor, dass elterliche Wutausbrüche außer Kontrolle gerieten. Meine Mutter war öfter ausgerastet, als ich klein war, ein paar Mal hatte sie mir beinahe die Haare ausgerissen. Meine Schwestern und ich hatten das für völlig normal gehalten, viele unserer Freunde wurden sogar geprü
    gelt. Erst als Erwachsene war mir aufgegangen, dass die Wutanfälle meiner Mutter in den meisten Fällen total überstei-gert waren.
    Natürlich fürchtete ich, ihren Jähzorn geerbt zu haben. Auf der Polizeischule hatte ich einem widerwärtigen Mitschüler fast den Ellbogen gebrochen, später war ich einmal mit einer Bronzestatue auf einen zweifachen Mörder losgegangen. Verbale Zornausbrüche bekam ich fast täglich. Wenn mein Baby Tag und Nacht schrie, wie es das erste Kind meiner Schwester Helena getan hatte, würde ich den Impuls unterdrücken können, es an die Wand zu klatschen? In den Ratgebern war die Rede von Mutterinstinkten und Hormonen, die dafür sorgten, dass Mütter in jeder Situation zärtlich mit ihren Kindern umgingen. Aber ich hatte zu viele Gegenbeispiele gesehen.
    Mit anderen Worten: Ich musste die Alibis von Nooras Eltern doch noch überprüfen.
    Antti saß wartend im Fiat auf dem Parkplatz vor dem Poli-zeigebäude. Die graue Wolkendecke war hier und da aufgerissen, dahinter schaute der blaue Himmel hervor, über den in rasender Fahrt Federwölkchen zogen. Der Wind wehte mir Sand in die Augen. Ich rettete mich in den überheizten Wagen und schmiegte mich in Anttis Arme.
    «Wohin?», fragte er, nachdem ich eine Weile versucht hatte, in seine alte Lederjacke zu kriechen.
    «Egal, nur weg von hier. Irgendwohin, wo man zur Ruhe kommt.»
    Antti fuhr zu einem Café an der Tamminiementie. Ich aß ein großes Stück Zwiebelkuchen und platzte fast. Auch Schnüppchen wurde endlich ruhiger. Ein Glas Weißwein zu trinken erschien mir herrlich sündhaft, ich war überzeugt, dass die anderen Gäste mich missbilligend anstarrten.
    «Wann entscheidet sich eigentlich eure Beförderungssa-che?», fragte Antti, den Mund voll Himbeercreme.
    «Wenn ich das wüsste! Zuerst wird ein neuer Polizeipräsident ernannt, der jetzige Kripochef hat die größten Chancen, den Posten zu kriegen. Also muss ein Nachfolger für ihn ge-wählt werden. Wenn sie dafür jemand anders nehmen als Taskinen, bleibt in unserem Dezernat alles beim Alten. Bevor ich in Mutterschaftsurlaub gehe, ist jedenfalls noch nichts entschieden.»
    «Und wenn du Dezernatsleiterin wirst?»
    «Kriminalhauptkommissarin Maria Kallio … Klingt gut.
    Ich hätte natürlich noch mehr zu tun als bisher. Die Beförderung würde sicher zum Jahreswechsel in Kraft treten. Ich müsste mir entweder für die erste Zeit eine Vertretung besorgen oder auf den Elternurlaub nach der Schutzfrist verzichten.»
    «Den könnte ich doch nehmen, oder?» Antti schien von der Idee geradezu begeistert. Am Mathematischen Institut der Universität Helsinki war vor einem Monat ein als schwierig verschriener Mann zum

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