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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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besucht hatte wie er?
    «Ich denke, wir sollten die Befragungen von Haus zu Haus fortsetzen», sagte er, sobald ich unser weiteres Vorgehen ansprach. «In Matinkylä gibt es jede Menge Verrückte, und im Gegensatz zu dir bin ich überzeugt, dass es sich um den Kerl handelt, der seit geraumer Zeit kleine Mädchen be-lästigt.»
    «Es gibt keinerlei Hinweis auf ein Sexualdelikt.»
    «Vielleicht hat er sie zur Fellatio gezwungen», meinte Ström. Einer der jungen Polizeimeister lachte auf, verstummte jedoch sofort.
    «Der Gerichtsmediziner hat auch im Oralbereich weder Verletzungen noch Sperma gefunden», gab ich kühl zurück.
    «Koivu, haben wir schon Ergebnisse zu Janne Kivis Auto?»
    «Die bekommen wir erst nächste Woche. Am Mercedes der Frau Järvenperä wurden massenhaft Fingerabdrücke sichergestellt, die momentan mit den Registern verglichen werden. Die Abdrücke der Familie sind noch nicht eliminiert, das soll am Montag geschehen.»
    Kati Järvenperä hatte versprochen, Jussi noch einmal nach dem dummen Onkel zu fragen. Vor Gericht hatte die Äußerung eines Vierjährigen sicher keinen Wert, aber wenn der Junge irgendeine Beschreibung geben konnte, würde sie uns vielleicht weiterhelfen. Jussi hatte von einer großen Tasche gesprochen. Vielleicht handelte es sich um Nooras Sporttasche, die ich immer noch nicht inspiziert hatte. So sehr ich mich bei der Besprechung bemüht hatte, die effektive Kriminalistin zu spielen, die alle Fäden souverän in der Hand hält, war sicher keinem entgangen, dass die Ermittlungen kein Stück vorangekommen waren.
    Als mir endlich die Augen zufielen, schlief ich unruhig.
    Immer wieder drängten sich Nooras Augen in meine wirren Träume. Um halb neun wurde ich vom Klingeln des Telefons geweckt. Als ich Ströms müde Stimme erkannte, hätte ich am liebsten gleich aufgelegt.
    «Ein Fall für dich, Kallio. Deine berühmte weibliche Empathie ist gefragt.»
    «Aha. Was und wo?»
    «Ein totes Kind in der Sokinsuontie. Pihko und Puupponen sind schon da, aber sie brauchen Verstärkung.»
    «Ein totes Kind? Mehr weißt du nicht? Ist es ein Krippen-tod, oder was?»
    «Mehr haben die Jungs nicht gesagt. Ich war die ganze Nacht auf den Beinen und hab immer noch mit einer Mes-serstecherei zu tun, also fahr du hin!»
    Nachdem ich mir die Adresse notiert hatte, zog ich mich lustlos an. Antti war bereits unten in der Küche und kochte Kaffee. Eigentlich hatten wir für den Vormittag eine Wanderung in Nuuksio geplant, doch die fiel nun flach.
    Ich frühstückte und fuhr los. Es war ein grauer, kühler Morgen, mit Pullover und Jeansjacke war ich keineswegs zu warm gekleidet. Über dem Wagen vollführten Bachstel-zen Sturzflüge, die Felder waren menschenleer. Mein Herz verkrampfte sich schmerzhaft, obwohl ich versuchte, nicht an die kleine Leiche zu denken, die mich erwartete. In meiner bisherigen Laufbahn hatte ich zum Glück erst zwei tote Kinder zu Gesicht bekommen. Der erste Fall, ein plötzlicher Kindstod, hatte sich zugetragen, als ich frisch von der Polizeischule kam. Die Notrufzentrale hatte meine Streife hingeschickt. Ich erinnerte mich immer noch an das trostlose Schluchzen der Eltern, die ihr erstes Kind verloren hatten.
    Der zweite Fall hatte sich im vergangenen Sommer ereignet. Ein sechsjähriger Junge war beim Sommerhaus seiner Eltern von einem Felsen ins Meer gefallen, hatte sich den Kopf angeschlagen und war ertrunken. Der Staatsanwalt hatte auf eine Anklage wegen Verletzung der Aufsichtspflicht verzichtet, weil er der Ansicht war, die Eltern seien bestraft genug und ein Prozess würde den beiden jüngeren Ge-schwistern des Opfers eher schaden als nützen.
    Ich hatte nicht die Angewohnheit, jahrelang über alte Fälle nachzugrübeln, doch nicht alle Erinnerungen ließen sich auslöschen. Die Schwangerschaft hatte mich für alles, was mit Kindern und auch mit meiner eigenen Kindheit zu tun hatte, besonders sensibel gemacht. Zudem war selbst für Polizisten, Ärzte und Krankenschwestern, die beruflich mit dem Sterben zu tun hatten, der Tod eines Kindes besonders bedrückend. Kein Wunder also, dass ich nervös war. Ström hätte mir wenigstens sagen können, was mich in der Sokinsuontie erwartete.
    Vor dem achtstöckigen Haus standen zwei Streifenwagen und eine Ambulanz. Rundum gafften die Nachbarn, ich musste lange auf den Aufzug warten, der mich in den fünften Stock trug. Auf dem Türschild stand der Name Markkanen.
    «Du, Maria?», fragte Pihko entgeistert. «Wollte Ström nicht

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