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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Schulbesuch, eine postnatale De-pression, die nie behandelt worden war. Ihre Geschichte war ebenso trist wie banal, alle Vorzeichen der Tragödie waren zu erkennen. Nun würde alles noch schlimmer werden, und ich konnte nichts dagegen tun. Jaana hatte bereits als Teenager übermäßig viel getrunken, und im Gefängnis würden mit Sicherheit Drogen hinzukommen. Fast hoffte ich, dass sie vorher in die Fänge irgendeiner religiösen Sekte geriet.
    «Was passiert jetzt mit mir?», fragte Jaana, als ich die Vernehmung beendete. Ich erklärte es ihr und riet ihr, sich einen Anwalt zu besorgen. Als ihr endlich aufging, dass sie eine lange Haftstrafe zu erwarten hatte, fing sie wieder zu heulen an. Es fiel mir schwer, sie in die Zelle zurückzuschicken, aber was hätte ich sonst tun können? Ich war nur die vernehmen-de Polizistin, keine Sozialarbeiterin.
    «Möchtest du mit einem Psychologen reden?», fragte ich unbeholfen.
    «Hältst du mich für bekloppt? Hab ich deshalb Minni umgebracht?», schrie sie, und ihr magerer Körper krümmte sich wie vor Schmerz. Ich riet ihr noch einmal, Hilfe zu suchen, doch sie war nicht mehr ansprechbar. Sie hätte ihr Kind ge-tötet und müsse ins Gefängnis, obwohl sie lieber sterben wolle, wiederholte sie unaufhörlich, auch dann noch, als sie abgeführt wurde.
    «Armes Ding», seufzte Koivu, als Jaanas Geheul verklun-gen war. «Wie kann so was passieren … Man rastet ein paar Minuten aus, und dann ist das ganze Leben endgültig versaut. Sein eigenes Kind töten, darüber kommt man wohl nie hinweg, oder?»
    «Bestimmt nicht. Es ist schon schwer genug, wenn das Kind stirbt, an Krebs oder bei einem Unfall … Ich überlege manchmal, wie es wäre, wenn mein Kind bei der Geburt stirbt oder so schwer behindert ist, dass es nicht lange lebt.
    Der bloße Gedanke tut weh, dabei ist es noch gar nicht auf der Welt.»
    Schnäppchen war real geworden, seit ich seine Bewegungen spürte. Beim ersten Mal war es ein seltsames Gefühl, ich war mir nicht sicher gewesen, ob ich mir das leise Flattern nicht nur eingebildet hatte. Als hätte ein kleiner Fisch vorsichtig mit dem Schwanz gewackelt, in einem Wasserbecken, von dem ich nicht wusste, dass ich es in mir trug. Langsam hatte ich die Bewegungen kennen gelernt, allmählich waren sie stärker geworden, und nun wusste ich sie bereits zu erwarten und war besorgt, wenn Schnüppchen zu lange schlief.
    «Das Eislauftraining beginnt um zwei», sagte ich, um nicht länger über meine Ängste nachzudenken. «Vorher überprü
    fen wir die Berichte über die Wagen, die am Mittwochabend in Koukkuniemi beobachtet wurden. Vielleicht stoßen wir ja doch auf den goldfarbenen BMW.»
    Meine Hoffnung erfüllte sich nicht, ich hatte nach wie vor keinen Beweis dafür, dass Ulrika Weissenberg noch einmal nach Matinkylä gefahren war und Noora zur Rede gestellt hatte. Dennoch sagte mir ein seltsamer Instinkt, dass genau das passiert war. Ich rief mir Matinkylä ins Gedächtnis, die backsteinroten Etagenhäuser, zwischen denen zähe Bäume wuchsen. Ein goldfarbener BMW wäre dort sicher aufgefallen. Vielleicht sollten wir die Jungen befragen, die auf den Höfen Fußball spielten.
    Bevor wir zum Eisstadion fuhren, schleifte Koivu mich zum Essen in eine Pizzeria. Ich spielte die Gesundheitsbe-wusste und nahm eine vegetarische Variante, Koivu bestellte eine AnschovisSalamiPizza, an der er nur herumpickte.
    «Glaubst du, wir sollten wirklich beim Training stören?», meinte er schließlich nervös. «Für Silja als Spitzensportlerin ist es doch sicher wichtig …»
    «Ich störe ja auch ungern, aber ich möchte lieber in der vertrauten Umgebung mit den Trainern sprechen als auf dem Präsidium. Schließlich stehen die beiden nicht direkt unter Verdacht.»
    Koivu murmelte vor sich hin, er fürchtete offenbar, sich vor Silja zu blamieren.
    «Iss deine Pizza auf, dann gehen wir», sagte ich wie eine große Schwester. Aber Koivu stocherte nur in den Anschovis herum und brachte kaum seine Milch herunter. Von meiner Pizza waren nur noch die Ränder übrig, und ich fühlte mich entsprechend: übersatt und verschwitzt. Zum Glück hatte ich noch ein Kaugummi in der Tasche, das den schlimmsten Fettgeschmack vertrieb.
    Als ich vor dem Eisstadion parkte, sah ich, dass am Vorder-eingang irgendetwas los war. Aus dem Stadion kamen kleine Mädchen, deren Eltern wartend in ihren Autos saßen, aber es kam mir vor, als ob der Pförtner versuchte, jemanden hin-auszudrängen. Wie gut abgerichtete

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