Die Todesspirale
ihr auch gesagt.»
Ulrika Weissenberg schien sich recht intensiv eingemischt zu haben. Sie hatte den Nieminens ihre eigene Putzfrau ins Haus geschickt und, so behauptete sie, Hanna so lange zu-gesetzt, bis sie Teräsvuori verließ und zu ihrer Familie zurück-kehrte.
«Für Kauko war es natürlich eine schwere Zeit. Der Umsatz seiner Spedition hat sich nach der Öffnung der russischen Grenze verdreifacht. Man konnte nicht von ihm verlangen, Noora zum Training zu chauffieren. Zudem versteht er nicht viel vom Eiskunstlauf, seine Unterstützung ist hauptsächlich finanzieller Art.»
Ulrika Weissenberg verbreitete sich gern über ihren Einfluss auf das Leben anderer Menschen. Ich ließ sie reden, hörte mir ihre gehässigen Bemerkungen über Elena Grigorieva an, die sie offenbar nur als Trainerin schätzte. Rami Luoto seinerseits könne gut mit Jugendlichen umgehen, sei jedoch keinesfalls in der Lage, Talente wie Noora, Janne und Silja international an die Spitze zu bringen. Sie schien beschlossen zu haben, Rami künftig nur noch die Junioren trainieren zu lassen.
Aber als ich auf die Frage zurückkam, wo sie sich am Abend des Mordes aufgehalten hatte, war das Ergebnis gleich null. Sie bestritt kategorisch, das Haus noch einmal verlassen zu haben.
«Ich hatte mir überlegt, doch lieber erst am nächsten Tag mit Noora zu sprechen, wenn sie sich beruhigt und noch einmal über die Sache nachgedacht hatte.»
Dabei blieb sie. Ich bat, telefonieren zu dürfen, und ging dann zur Tankstelle in Suomenoja, wo ich mich mit Antti verabredet hatte. Der Wind blies durch meine Jacke hindurch.
Am Abend wollte ich in die Sauna gehen, um endlich einmal warm zu werden. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, ständig zu schwitzen, wenn mein Körper aus dem Leim ging, stattdessen hatte ich seit Beginn der Schwangerschaft fast nur gefroren.
Ich bat Antti, in das Industriegebiet von Suomenoja zu fahren, um zu testen, wie lange die Fahrt von der Kaukospedition nach Koukkuniemi dauerte. Die Firma war leicht zu finden, die protzigen Goldbuchstaben auf dem Dach der LkwHalle leuchteten weithin. Ich fand es interessant, dass die Weissenberg Kauko Nieminen als vulgär bezeichnete, ihn zugleich aber bewunderte. Offenbar machte ein hohes Einkommen in ihren Augen einiges wett.
Obwohl es keine direkte Verbindung von Suomenoja nach Koukkuniemi gab, dauerte die Fahrt keine zehn Minuten.
Waren zur Tatzeit Mitarbeiter im Büro der Spedition gewesen, die Nieminens Alibi bestätigen konnten?
Antti hatte nicht gefragt, warum ich gerade diese Strecke fahren wollte. Als ich ihn jedoch bat, auf dem Parkplatz an der Koukkuniementie anzuhalten, runzelte er die Stirn:
«Hast du vor, mich den ganzen Tag als Chauffeur zu beschäftigen?»
«Sorry. Ich hab nur gerade überlegt, wie man einen leblo-sen Körper unbeobachtet aus dem Wald ins Auto schaffen könnte.»
«Was dir so alles durch den Kopf geht!», feixte Antti. Für meine Arbeit an sich interessierte er sich weniger als für die Frage, wie sie sich auf mich und auf unsere Beziehung auswirkte. Wir hatten beide akzeptiert, dass es Zeiten gab, in denen der Beruf Vorrang hatte. Aber Antti war kein Kollege, ich durfte nicht von ihm erwarten, dass er sich an den Ermittlungen beteiligte.
Nach der Sauna machte ich es mir vor dem Fernseher bequem, wo gerade die Sportschau lief. Die RallyeErgebnisse interessierten mich nicht, und ich wollte gerade auf die Krimiserie umschalten, als der Sprecher ein ernstes Gesicht auf-setzte und sagte:
«Am vergangenen Mittwoch verstarb die Eiskunstläuferin Noora Nieminen. Die Polizei geht davon aus, dass sie getötet wurde. Noora Nieminen erreichte mit ihrem Partner Janne Kivi bei der diesjährigen Europameisterschaft den zehnten und bei der Weltmeisterschaft den neunten Platz. Zum Abschluss unserer Sendung und im Gedenken an Noora Nieminen zeigen wir nun Ausschnitte aus ihrer Kür.»
Nooras Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Man sah ihr an, wie intensiv sie sich auf den doppelten Lutz konzentrierte. Nach dem gelungenen Sprung lächelte Janne, doch Noora blieb ernst wie die Musik in diesem Teil der Kür. Dann setzte der ausgelassene Titelsong aus «Hair» ein, und sie lä
chelte strahlend. Ihr Auftritt hätte jeder Schauspielerin Ehre gemacht. Bei der nächsten Hebefigur wurde der Film angehalten, erneut war Nooras Gesicht mit den runden, lachen-den Augen in Großaufnahme zu sehen. Ich schaute in ihre Augen und schwor mir herauszufinden, wer sie zum Erlö
schen
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