Die Todesspirale
Hunde setzten wir uns in Trab. Nun sah ich, dass Männer mit Mikrophonen und Kameras den Eingang belagerten. Reporter.
Die Meldung des Sportstudios, die Polizei betrachte Nooras Tod als Tötungsdelikt, hatte offenbar die Redaktionen der Boulevardzeitungen und Rundfunksender alarmiert. Bisher war der Name des in Matinkylä tot aufgefundenen Mädchens nicht bekannt gegeben worden, doch nun hatten die Reporter eins und eins zusammengezählt. Die Eltern der kleinen Eiskunstläuferinnen wirkten eingeschüchtert, und schon von weitem hörte ich zweistimmiges Gebrüll, das die Fragen der Presse abzuwürgen versuchte.
Es war schwer zu sagen, wer wütender war, Elena oder Janne.
«Sie können hier nicht einfach hereinplatzen und das Training unterbrechen!», schrie Elena. «Wir wissen über Nooras Tod nicht mehr, als dass sie nach Verlassen des Stadions starb.
Verschwinden Sie!»
«Janne, für dich muss das alles furchtbar sein», sagte einer der Reporter in einem Ton, der mitfühlend wirken sollte. «Du trainierst aber heute, wirst also weitermachen?»
«Schert euch zum Teufel!» Janne kochte vor Wut, einen Moment lang glaubte ich, er würde sich auf den Mann stürzen. Dann bemerkte er Koivu und mich. «Da kommen die Kripobeamten, die Nooras Tod untersuchen. Nehmt zur Abwechslung die in die Mangel!»
Zum Weglaufen war es zu spät. Als die Fragen auf uns nie-derprasselten, grinste Janne so unverschämt, dass ich ihm am liebsten die Zunge gezeigt hätte.
Stimmte es, dass Nooras Leiche in einem Kofferraum gefunden worden war wie die des berühmten Drogengangsters Jack Morre? Wem gehörte das Fahrzeug, stand der Besitzer unter Verdacht? Nicht? Wer dann?
Ich war nicht befugt, Informationen an die Presse zu geben, wollte aber Taskinen nicht deshalb am Sonntag stören.
Einige der Eltern hatten kehrtgemacht, als sie das Wort Kripo hörten, sie scharten sich fordernd um uns.
Ich sagte, Noora Nieminen sei tatsächlich in einem Parkhaus in Matinkylä im Kofferraum eines Wagens gefunden worden, und die Polizei betrachte den Fall als Tötungsdelikt.
Auf Einzelheiten könne ich nicht eingehen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Auch die Identität von Kati Järvenperä gab ich nicht preis. Zum Glück war sie nicht publici-tysüchtig. Ich nutzte die Gelegenheit, an alle zu appellieren, die sich am Abend der Tat in Matinkylä und besonders im Parkhaus des Einkaufszentrums aufgehalten hatten:
«Wenden Sie sich an die Espooer Polizei, wenn Sie irgendetwas Verdächtiges beobachtet haben. Jeder Hinweis ist wichtig.»
Eine der kleinen Eisläuferinnen weinte. Noora war für die Mädchen das große Vorbild gewesen.
«Die Polizei will aber auch Nooras Partner und ihre Trainer vernehmen?», fragte der Reporter des Lokalsenders, der sich wohl für besonders schlau hielt.
«Noora Nieminen wurde auf dem Heimweg vom Eisstadion getötet. Wir wollen lediglich das Umfeld kennen lernen», sagte ich mit aller Geduld, deren ich fähig war. «Mehr kann die Polizei zur Zeit nicht bekannt geben.»
Es war so leicht, «wir» oder «die Polizei» zu sagen, als trüge ich persönlich keinerlei Verantwortung für die Ermittlungen.
Die Reporter wichen überraschend fügsam zurück, als ich, dicht gefolgt von Koivu, in die Halle marschierte. Immer noch strömten etwa zehnjährige Mädchen zum Ausgang, offenbar hatten sie Gruppentraining gehabt. Elena Grigorieva sprach mit einem der Mädchen, ließ die Kleine jedoch stehen, als sie mich sah, und kam mir mit langen Schritten entgegen.
«Haben Sie die Journalisten verscheucht? Gut! Mitten im Gruppentraining der Anfänger hier aufzutauchen! Und Ulrika ist natürlich nicht hier, das eine Mal, wo wir sie gebraucht hätten!»
Ich hatte mich schon bei der ersten Befragung gewundert, wie gut Elena Finnisch sprach. Sie brauchte nie nach einem Wort zu suchen, machte kaum grammatische Fehler, und ihr russischer Akzent war zwar unverkennbar, aber nicht stö
rend. Dabei lebte sie erst seit zwei Jahren in Finnland.
«Und was will die Polizei hier?», fragte sie. «Sind Sie die Nächsten, die uns belästigen wollen? Das Training ist nicht zu Ende.»
«Ich weiß. Aber Ihre Aussage über den Mittwochabend …»Ich wurde von einem spindeldürren Mädchen unterbrochen, das sich in Elenas Arme warf.
«Mama, mamotška! Gde Tomi? Ja hazu …»
«Sprich finnisch, Irina! Wir sind nicht in Russland!»
«Mama, wo ist Tomi? Ich will nach Hause, im Fernsehen kommt ein Film …»
«Tomi kann dich nicht abholen, er
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