Die Todesspirale
Tod, an ein Erlebnis, das ihn und alle anderen Beteiligten bis an ihr Lebensende verfolgen würde.
Das Wasser schmeckte erdig wie immer im Frühjahr. Ich nahm den Becher mit und setzte mich an das Gerät für die Oberschenkelmuskeln. Übungen, bei denen man auf dem Bauch liegen musste, waren mir seit einigen Wochen unangenehm. Daher konzentrierte ich mich jetzt auf die Körper-teile, die am stärksten beansprucht wurden, Oberschenkel, Rücken und Bauchmuskeln. Im Spiegel sah ich Janne auf dem Rad, von dem ich gerade gestiegen war. Rami wärmte sich am Laufband auf. Er hatte sich auch nach dem Ende seiner aktiven Karriere fit gehalten, wie der sehnige Körper und die geschmeidigen Bewegungen zeigten. Plötzlich kam es mir witzig vor, die Männer im Spiegel zu beobachten wie eine Geheimagentin. Zudem funktionierten meine Oberschenkel ausgezeichnet. Meine gute Laune kehrte zurück.
Silja schien sich heute ganz ihrer Beinmuskulatur zu wid-men, denn nachdem sie die Sprungübungen beendet hatte, setzte sie sich an die Beinpresse neben meinem Gerät. Zum Glück sprach sie nicht mehr über Nooras Tod, sondern über ein ganz anderes Thema: Koivu.
«Pekka ist wohl neu bei euch, ich habe ihn früher nie gesehen», begann sie. Es klang ungewohnt, seinen Vornamen zu hören. Bei uns war es üblich, sich mit dem Familiennamen anzureden, auch ich war auf der Dienststelle meist Kallio und nicht Maria.
«Ja, er ist vor ein paar Monaten gekommen. Ich kenn ihn aber schon seit Jahren, wir haben früher ein paar Mal zusammengearbeitet.»
Bereitwillig berichtete ich Silja, deren Interesse unverkennbar war, von Koivus Werdegang. Wir tauschten die Ge-räte und unterhielten uns weiter, bis ich das Gefühl hatte, meine Oberschenkelmuskeln würden gleich reißen. Bei der Entbindung würden sie sicher beansprucht werden, denn schlimmstenfalls würde ich stundenlang mit gespreizten Beinen daliegen müssen.
Der Endorphinrausch, den das harte Training auslöste, war so intensiv, dass ich viel länger im Fitnessraum blieb, als ich vorgehabt hatte. Es war angenehm leer. Außer mir und dem Eislaufteam waren nur zwei weitere Besucher da, die nach etwa einer Stunde aufbrachen, um die gleiche Zeit wie Mutter und Tochter Grigorieva. Zwei Muskelprotze kamen herein und kauften bei Tomi Sportlernahrung. Ich ertappte mich dabei, dass ich Janne beim Training beobachtete. Der Junge war eine Augenweide, kein Wunder, dass sowohl Noora als auch Ulrika Weissenberg ihr Herz an ihn verloren hatten. Das ärmellose Ringerhemd ließ den Blick auf seine schweiß
bedeckten Schultermuskeln frei, die ich unverschämt lange anstarrte, bis ich mich zur Ordnung rief und mit der Bauchmuskelübung weitermachte. Plötzlich stand Rami Luoto neben mir und sah mir zu.
«Schadet das nicht dem Baby?», fragte er schließlich unsicher.
«Nee, gar nicht. Ich will verhindern, dass meine Bauchmuskeln sich nach der Entbindung in Hängematten verwan-deln», erklärte ich, und Luoto lachte über den Vergleich, den ich in einem der vernünftigeren Ratgeber gelesen hatte.
«Tja, also … auf dem Präsidium habe ich vergessen, davon zu sprechen … Ich habe letzten Mittwoch mehrere Schnür-proben an Nooras Schlittschuhen gemacht, sie sind also sicher voll von meinen Fingerabdrücken.»
«Natürlich», ächzte ich. Rechts oben spürte ich plötzlich Seitenstiche, wollte aber nicht aufgeben, solange Luoto zusah. Ich kämpfte mich durch die Serie, Rami rührte sich nicht vom Fleck. Um das Schweigen zu brechen, fragte ich ihn:
«Wusstest du, dass Noora Appetitzügler genommen hat, die Fentermin enthalten, ein Dopingmittel? Wo hatte sie die wohl her?» Ich stand auf und wischte mir den Schweiß aus dem Gesicht. Die Stiche waren immer noch zu spüren. Ob etwas nicht stimmte?
«Appetitzügler mit Dopingstoff!», rief Rami, dämpfte dann jedoch die Stimme. «Gewusst habe ich es nicht, aber ich habe so etwas vermutet. Als ich Noora danach fragte, hat sie es allerdings abgestritten. Ich weiß nicht, woher sie das Zeug hat, kein Arzt, der etwas auf sich hält, würde einem noch nicht voll ausgewachsenen, normalgewichtigen Mädchen solche Medikamente verschreiben.»
Wir hatten uns auf die Hantelbank gesetzt, wobei Rami ängstlich darauf bedacht war, jede Berührung zu vermeiden.
«Was Liikanen verkauft, weiß ich nicht», fuhr er im Flüster-ton fort. «Er hat Verbindungen nach Russland, dort bekommt man alle möglichen Pillen. Er selbst hat seine Muskeln sicher auch nicht mit Haferbrei
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