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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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einem großen Überdruss befallen worden. Wie viele Mince Pies hatte sie wohl im Laufe der Jahre bestreut? Sie machte pro Jahr etwa dreißig dieser Gebäckstücke. Dies war ihr vierundzwanzigstes Juli-Weihnachten.
    Sie hatte sich an ihre Nichte gewandt. »Maggie, wie viel ist dreißig mal vierundzwanzig?«
    »Siebenhundertzwanzig«, hatte die damals vierzehnjährige Maggie ohne Zögern geantwortet.
    Mehr als siebenhundert Mince Pies. Zwei Dutzend Kuchen. Zwei Dutzend Puddings und Truthähne, Hunderte Rosenköhlchen … Zeit für etwas Neues. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, war sie zum Schuppen gegangen.
    »Würdest du uns verstoßen, wenn ich das Weihnachtsmenü ein wenig umstelle?«
    »Natürlich nicht. Solange wir zusammen essen und ich über euch und eure albernen Weihnachtsmützen lachen kann, bin ich glücklich.«
    »Es muss morgen also nicht unbedingt Truthahn geben?«
    »Natürlich nicht, wenn du nicht willst. Es geht doch darum, dass wir alle zusammen sind, und nicht um das, was wir essen.«
    Sie hatte die anderen zusammengerufen. »Würdet ihr euch beschweren, wenn morgen kein Truthahn auf dem Tisch steht?«
    »Ich sicher nicht. Und ich wette, der Truthahn auch nicht«, hatte Miranda gesagt.
    Bei Eliza war ein wenig Überzeugungsarbeit vonnöten gewesen. »Ich dachte, bei der Weihnachtsfeier im Juli ginge es gerade darum, dass wir im Winter Truthahn essen können und das nicht im Sommer tun müssen.«
    »Mum hat sich dazu nie genauer geäußert«, hatte Juliet erklärt. »Es ging ihr wohl mehr um die Idee.«
    Juliet war es nicht vorgekommen, als würde sie am Andenken ihrer Mutter kratzen. Es bedeutete eine Veränderung, einen Fortschritt, wenn es auch nur ein ganz kleiner war. Es war ein seltsames Gefühl der Erleichterung. Der Truthahn – er war bereits gekauft, so bedeutete die Änderung des Menüs für ihn keine Rettung – war in die Tiefkühltruhe gewandert. Das Gemüse hatte sich zu kleinen Stücken geschnitten in einer Suppe wiedergefunden, die ebenfalls eingefroren wurde. Der Plumpudding würde sich mindestens noch ein oder zwei Monate halten, womöglich sogar ein oder zwei Jahre, gemessen an der Menge Brandy, die sie darübergegossen hatte. Juliet hatte die Augen geschlossen und überlegt, welches Essen sie in letzter Zeit besonders genossen hatte. Bei dem Gedanken an ein Drei-Gänge-Menü, das sie sechs Wochen zuvor mit Myles in Leichhardt gegessen hatte, Sydneys italienischem Viertel, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Perfekt. Ein italienisches Juli-Weihnachten also. Antipasti, als zweiten Gang Pasta, Fleisch als dritten und zum Nachtisch ein mächtiges, sahniges Tiramisu. Ein langes, entspanntes italienisches Essen, wie aus einer Fernsehwerbung für Pastasauce.
    Sie machte sich schnell fertig, bevor es zu spät war. Der Supermarkt schloss in dem Moment, als sie auf den Parkplatz fuhr. Sie wollte sich schon geschlagen geben, da fiel ihr ein, dass der Lebensmittelladen in West Hobart immer lange geöffnet hatte, das ganze Jahr über. Sie betrat das Geschäft mit der Absicht, alles für ein italienisch angehauchtes Fest einzukaufen, und besprach sich mit Freddie, dem indischen Verkäufer. Eine halbe Stunde später verließ sie den Laden mit drei Tüten voll frischen Gemüses, Gewürzen, Fleisch und mit zwei Zetteln voller Rezepte.
    Am nächsten Tag saßen die Faradays mit ihren Weihnachtsmützen an einer indischen Tafel und sangen ihre Weihnachtslieder bei Samosas, Huhn Tikka, Naan, Chutneys, Gurken-Raita und Safranreis. Im folgenden Jahr feierten sie bei einem französischen Mahl (karamellisierte Zwiebelsuppe, Coq au vin und Tarte Tatin), im darauffolgenden bei einem spanischen (scharfe Krabben mit Petersilie, gegrillter Fisch mit Kümmel aus dem Ofen), danach gab es vietnamesisches, marokkanisches, irisches, deutsches oder österreichisches und schließlich doch noch italienisches Essen. Sie aßen sich rund um die Welt, und jedes Jahr wählte jemand anders ein Land aus. Mit Ausnahme von Sadie.
    Es erstaunte Juliet immer noch, dass sie ihre Traditionen ohne Sadie beibehalten hatten. Es war wegen Maggie. Sie hatte darauf bestanden. Ein weiterer Beweis dafür, dass sie richtig gehandelt hatten. Sie waren ihr gegenüber ganz locker mit den Geschehnissen in jenem Sommer umgegangen. Maggie hatte gleich einen Tag, nachdem sie nach Hause gekommen war, über ihr Juli-Weihnachtsfest gesprochen, als ob alles vollkommen normal wäre. Es hatte sie auch nicht weiter gekümmert, dass Clementine

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