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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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bleiben?«
    »Nicht mit uns. Mit Maggie.«
    »Nein, Dad.«
    »Clementine, Sadie will Maggie schreiben. Und Maggie will Sadie schreiben. Ich will das auch. Ich will wissen, ob es Sadie gut geht.«
    »Ich möchte nicht, dass sie jemals wieder auch nur in die Nähe von Maggie kommt. Sie kann von Glück sagen, dass ich sie nicht angezeigt habe.«
    »Clem, wir wissen nicht, warum sie das getan hat, aber versuch doch zu verstehen …«
    »Da gibt es nichts zu verstehen. Sie hat meine Tochter entführt.«
    »Sie hat es aber nicht so gesehen.«
    Clementine war aufgestanden. »Anders kann man es aber nicht sehen. Glaubst du etwa, ich würde ihr Maggie jemals wieder anvertrauen?«
    »Es ist doch nur ein Brief, Clementine«, hatte Juliet gesagt. »Und Dad ist es wichtig. Damit er weiß, dass es ihr gut geht.«
    Clementine war über diese Lösung nicht glücklich gewesen, hatte aber letzten Endes doch zugestimmt. Leo hatte Vater Cavalli angerufen. Der erste Brief war eine Woche später gekommen, an die Adresse des Priesters, der ihn persönlich zu den Faradays gebracht hatte. Eine ganz gewöhnliche Karte zu Maggies sechstem Geburtstag, mit einer Zeichnung von sechs Mäusen im Feenkostüm. Der Text war sehr kurz: »Liebe Maggie, alles Gute zum Geburtstag! Ich hoffe, Du hattest eine ganz tolle Feier. Ich habe auch sehr viel Spaß. Alles Liebe, Sadie xxx«.
    Maggie war entzückt. Sie hatte die Karte zu den anderen auf den Kaminsims gestellt. Clementine las die Karte nicht. Im Gegensatz zu Leo, Juliet, Miranda und Eliza. Sie versuchten, dem Umschlag, der Karte irgendeine Information zu entnehmen. Aber es gab nichts. Keinen Poststempel, keinen Absender.
    Leo bewahrte die Karte nach Maggies Geburtstag an einem sicheren Ort auf. Leo half Maggie auch dabei, eine Antwort zu schreiben, und brachte sie zu Vater Cavalli. »Liebe Sadie, danke für Deine Karte«, hatte Maggie geschrieben. »Ich hatte eine ganz tolle Geburtstagsfeier. Du fehlst mir. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder. Alles Liebe, Maggie xxxxxx«.
    Jedes Jahr kam eine Karte. Als Vater Cavalli in den Ruhestand trat, wurden sie von seinem Nachfolger überbracht, der auch Maggies Antworten weiterleitete. Leo fügte jedes Mal einen Brief bei, mit Nachrichten von Juliet, Miranda und Eliza. Jedes Jahr hoffte Leo darauf, dass Sadie auf diese Briefe Bezug nehmen, etwas aus ihrem Leben berichten oder ankündigen würde, dass sie zu Besuch käme. Doch das war niemals der Fall.
    Juliet litt immer noch, besonders als die Jahre vergingen und der Schrecken jener Wochen verblasste. Die klaffende Lücke in ihrer Mitte blieb, der leere Platz bei jeder Mahlzeit, bei jedem Weihnachtsfest. Juliet hatte einmal in einem Zeitungsartikel von einem Mann gelesen, dem man ein Bein amputiert hatte und der sich jeden Morgen beim Aufwachen vorstellte, es wäre noch da. So erging es Juliet mit Sadie. Als ob alles ein dummer Streich gewesen wäre und sie jeden Augenblick ins Haus kommen würde, als wäre gar nichts geschehen.
    Juliet hatte es weder ihren Schwestern noch Leo erzählt, aber sie hatte immer wieder versucht, Sadie zu finden. Erst hatte sie alle Krankenhäuser angerufen, aus Angst, dass Sadie einen Nervenzusammenbruch gehabt hatte, dass womöglich schon im Vorfeld etwas passiert war, weshalb sie Maggie überhaupt mitgenommen hatte. Vielleicht hatte sie ja unter Prüfungsdruck gelitten, bis sie alle zu ihrem gesteigerten Entsetzen erfahren hatten, dass Sadie seit Jahren keine Prüfungen mehr abgelegt hatte. Juliet hatte die Telefonauskunft aller Staaten Australiens angerufen. Nichts. In jüngster Zeit suchte sie regelmäßig im Internet. Noch immer nichts. Sadie schien vom Antlitz der Erde verschwunden. Bis auf die jährliche Karte und die Tatsache, dass sie zweimal im Jahr, bei ihren Weihnachtsfeiern, ihre Gläser erhoben und Maggie einen Toast auf Sadie ausbringen ließen. »Auf Sadie«, echoten sie dann alle.
    Eine weitere Tradition aus der Faraday’schen Familiengruft.

    Als alles ausgepackt und im Kühlschrank und auf den Regalen verstaut war, schien die Sonne ins Haus. Juliet ging nach draußen. Der Kies knirschte unter ihren Füßen, die Sonne wärmte, eine sanfte Brise wehte. Juliet tat gut daran, das zu genießen, denn das Wetter in Donegal war im günstigsten Fall wechselhaft.
    Sie lehnte sich an die Steinwand, zupfte träge etwas Moos aus den Fugen und fragte sich wie so oft, ob ihre Mutter jemals an der Wand des alten Hauses zwei Grundstücke weiter gestanden und das Gleiche getan

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