Die Toechter der Familie Faraday
sammelten sich Menschen, Matten und Decken lagen auf dem Rasen, Rollerblader glitten leise vorbei, gesundheitsbewusste Mütter schoben joggend ihre Babys in teuren, futuristischen Kinderwagen vor sich her.
Maggie und Leo gingen eine Weile spazieren, bis sie eine leere Bank im Schatten fanden.
»Setzen wir uns doch ein wenig. Machen wir es uns bequem. Hast du Hunger? Durst? Willst du einen Hot Dog?« Er wies auf einen Imbissstand in der Ferne.
Maggie schüttelte den Kopf.
Leo ließ sich mit einem gespielten Stöhnen auf der Bank nieder. »Wusstest du übrigens, dass es hier im Park mehr als fünfundzwanzigtausend Bäume gibt?«
»Stell dir vor, ja.« In den Wochen gleich nach ihrer Ankunft hatte sie ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, sie alle zu zählen.
»Das ist doch bemerkenswert, mitten in einer Großstadt. Noch dazu stehen hier mehr als hundertfünfzig verschiedene Arten.«
»Hast du dich extra vorher schlaugemacht?«
»Ich konnte doch nicht nach New York kommen, ohne ein besonderes Wissen im Gepäck zu haben, oder?« Er lächelte sie an.
»Aber du bist doch nicht hier, um dich mit mir über Bäume zu unterhalten, oder, Tollpatsch?«
»Aber doch. Seit Jahren schon will ich die Bäume im Central Park sehen. Einmal Baumfan, immer Baumfan.«
»Du bist ein Spaßvogel.«
»Ja, aber nicht immer. Nicht heute.« Er legte seine Hand auf ihre. »Ich benötige deine Hilfe, Maggie.«
Sie wartete gespannt. Plötzlich war sie unruhig.
Leo lächelte sie an. »Kannst du dich noch erinnern, wie ich dir früher immer Aufgaben gestellt habe, bei denen du ganz viele verschiedene Sachen in der Bücherei suchen musstest? Und wie deine Mum und ich dich dazu gebracht haben, uns im Haushalt zu helfen?«
»Die Listen? Natürlich erinnere ich mich.« Sie lachte. »Ich mache es ja heute noch so. Ohne Listen kann ich nicht leben.«
Er griff in seine Tasche und zog einen kleinen Zettel hervor. Wortlos reichte er ihn weiter. Maggie faltete das Blatt auseinander und las:
Maggies Aufgaben für heute:
1. Tagebücher
2. Donegal
3. Sadie
Gezeichnet,
Tollpatsch
Sie las die Liste zweimal. »Tut mir leid, aber das verstehe ich nicht.«
»Natürlich nicht. Jedenfalls noch nicht.« Er holte tief Luft. »Ich habe dir viel zu erzählen, Maggie. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich der Richtige bin, um dir das alles zu erzählen, aber wenn ich es nicht tue, wer und wann sonst? Das geht schon zu lange so, und ich werde nicht jünger.«
»Tollpatsch, es tut mir leid, ich weiß noch immer nicht, wovon du sprichst.«
»Wie auch?« Er wandte sich zu ihr. »Maggie, bevor wir hier weitermachen, muss ich erst ein paar Dinge klären. Warum kommst du dieses Jahr nicht nach Donegal?«
»Ich weiß, dass du enttäuscht bist, und das tut mir leid, aber es erschien mir einfach nicht richtig. Ich habe Abstand gebraucht. Und den brauche ich immer noch.«
»Mir war es so wichtig, dass du dieses Jahr da bist. Ich wollte dich um etwas bitten. Ich bin ein alter Mann, Maggie, und werde jeden Tag älter. Und mir ist bewusst geworden, dass ich einige Dinge regeln muss, bevor es zu spät ist.« Er holte sein Portemonnaie hervor und zog eine Fotografie heraus. »Es geht um Tessa, Maggie. Meine Tessa. All die Dinge auf der Liste haben im Grunde mit ihr zu tun.«
Maggie nahm das Foto. Sie hatte es schon viele Male gesehen. Ihre Großmutter als junge Frau, lachend, das Haar vom Wind zerzaust, die roten Lippen geöffnet, makellos weiße Zähne. Sie sah wie ein Filmstar aus. Die Liebe seines Lebens.
»Ich hatte mir für dieses Weihnachtsfest etwas überlegt. Du weißt doch, wie sehr Tessa ihre Sammelbücher geliebt hat?«
Maggie nickte. Sie war mit den Alben aufgewachsen, mit Seiten voller Rezepte und farbigen Bildern und Ratschlägen. Sie hatte gerne in ihnen gelesen und darin immer eine Verbindung zu ihrer Großmutter gesehen. Aber nicht so gerne wie in dem ganz besonderen Sammelbuch, das Sadie zu ihrem fünften Geburtstag gemacht hatte.
»Vor ein oder zwei Monaten habe ich mir überlegt, euch alle zu bitten, mir bei einem Sammelbuch über Tessa zu helfen. Ich fand, das wäre ein netter kleiner Job für dich. Um dich ein wenig abzulenken. Ich wollte dich dafür auch entlohnen.« Er lächelte. »Außerdem dachte ich, du hast vielleicht genug von Zahlen und wolltest zur Abwechslung einmal etwas mit Worten tun. Ich hatte alles geplant. In Donegal wollte ich euch dann bitten, euch gegenseitig zu befragen und alle Erinnerungen an Tessa
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