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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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niederzuschreiben, neben ihren Fotos. Als Andenkensammlung, damit nichts in Vergessenheit gerät.«
    Maggie lächelte. »Das hätte ich gerne getan. Das ist eine wunderschöne Idee. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich bestimmt gekommen.«
    »Ich hätte es dir sagen sollen, es ist meine Schuld. Ich wollte, wie gesagt, eine kleine Zeremonie daraus machen. Ich hatte vorgehabt, es an unserem ersten gemeinsamen Abend in Donegal zu verkünden. Und dich wollte ich – mit gespitzter Feder – dabeihaben. Aber dann ist etwas anderes geschehen. Etwas, was ich nicht erwartet hatte. Und auch das hat im Grunde mit Tessa zu tun. Aber darüber musste ich ein wenig länger nachdenken.«
    Er schwieg. Maggie wartete. In dem Moment erst wurde sie der Geräuschkulisse um sie herum gewahr. Straßenlärm, Sirenen, Karussellmusik in der Ferne. Irgendwo weinte ein Kind, ein anderes lachte.
    »Es geht um Sadie, Maggie. Deine Tante Sadie. Es gibt vieles, was ich dir nicht erzählt habe, was dir niemand erzählt hat. Und ich glaube, es ist an der Zeit, das zu ändern.«
    Sein ernster Ton beunruhigte Maggie sehr. »Ist sie tot? Geht es darum?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, ist sie nicht. Das kann ich mit Sicherheit sagen.«
    »Was dann? Hast du mir all die Jahre ihre Karten geschickt?«
    »Nein, sie stammen von Sadie. Jedenfalls soweit ich das beurteilen kann.« Er nahm die Hand seiner Enkelin und hielt sie ganz fest. »Maggie, wir haben dir niemals die volle Wahrheit über Sadie erzählt. Aber du hast mein Wort, was ich dir jetzt erzählen werde, ist die Wahrheit. Und du musst mir auch glauben, dass wir uns bei unseren Lügen immer sehr unwohl gefühlt haben.«
    »Lügen?«
    »Vielleicht nicht unbedingt Lügen, aber andere Geschichten als die Wahrheit.«
    »Ist so etwas keine Lüge?«
    »Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, ob eine Lüge aus Notwendigkeit das Gleiche ist wie eine Lüge aus Eigennutz.« Er machte eine Pause. »Maggie, deine Tante Sadie ist damals nicht durchgebrannt, um sich einer Hippie-Kommune anzuschließen. Sie hat einen entsetzlichen Fehler gemacht, etwas sehr Dummes getan, etwas, was niemand von uns je wirklich verstanden hat. Es ist zu einem Streit gekommen, einem sehr heftigen Streit zwischen deiner Mutter und Sadie, und das war das letzte Mal, dass wir sie gesehen haben.«
    »Ist sie im Gefängnis?«
    »Nein, ist sie nicht. Aber sie hat etwas Falsches getan, und das betrifft dich. Ich glaube, du solltest das endlich erfahren.«
    Er erzählte ihr aus jener Zeit und sah Maggie währenddessen nicht an.
    Maggie glaubte, sich an ihren ersten Flug mit Sadie zu erinnern. Sie glaubte, sich an Melbourne zu erinnern, mit Sadie. An gemeinsame Tage am Strand. Aber darüber hinaus? An Einzelheiten konnte sie sich nicht erinnern. Sie konnte auch den Sinn von Leos Worten nicht verstehen. Entführung?
    »Wie hätte sie mich denn entführen können? Sie war doch meine Tante. Das ist doch keine Entführung. Sie hat mich doch nicht auf offener Straße gepackt.«
    Leo versuchte ihr zu erklären, was sich in diesen zwei Wochen in Hobart ereignet hatte. Die Furcht, dass etwas Schreckliches passiert war oder passieren könnte. Clementine, untröstlich, erdrückt von Kummer und Selbstvorwürfen. Sie alle. Sie alle hatten sich Vorwürfe gemacht, in den Gesprächen, wenn sie, am Telefon sitzend, auf Sadies Anrufe gewartet hatten. Leo hatte es seinen Töchtern angesehen. Miranda hatte daran denken müssen, dass sie Sadie ständig gehänselt hatte, wegen ihrer Figur, weil sie keinen Freund hatte. Eliza hatte zugegeben, dass sie Sadie kaum beachtet hatte, außer um sich über ihre Unordnung zu beschweren. Clementine, dass sie zwar mit Dankbarkeit, aber auch zunehmendem Unbehagen gesehen hatte, wie sehr Sadie an Maggie hing. Juliet hatte sich vorgeworfen, dass sie von alldem nichts mitbekommen hatte. Leo selbst war von Schuldgefühlen durchdrungen gewesen. Hatte er sich nicht selbst eingestanden, dass er Sadie für das schwächste Junge im Nest, das Mauerblümchen gehalten hatte, während seine anderen Töchter im Rampenlicht standen? Diesen Teil erzählte er Maggie nicht. Aber die Wahrheit war, dass sie sich alle eine Mitschuld an Sadies plötzlichem Verschwinden gegeben hatten. Niemand war freundlich zu ihr gewesen. Nur Maggie. Und daher hatte sie Maggie mitgenommen.
    Leo erzählte ihr, warum sie sich dagegen entschieden hatten, die Polizei zu rufen, dass besonders Clementine Angst gehabt hatte, das würde zu weitaus

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