Die Toechter der Familie Faraday
einen Raum kam, hat sie alle Blicke auf sich gezogen. Und irgendwie, durch Zufall, durch einen Glücksfall, haben wir uns kennengelernt, uns verliebt und geheiratet. Sie war einfach ganz und gar umwerfend.«
Er hatte schon oft so über Tessa gesprochen. Doch in dem Moment musste Maggie es noch einmal hören. Nach all den schockierenden Enthüllungen war jede Einzelheit, jeder Erklärungsversuch wichtig.
»Sie war nicht vollkommen, Maggie. Ich weiß, dass Liebe blind macht, aber selbst ich habe gesehen, dass sie manchmal die Geduld verloren hat, mit mir und den Kindern. Sie hatte eine sehr schnelle Auffassungsgabe und hat häufig auf andere herabgesehen, die nicht mit ihr mithalten konnten. Aber mit ihr habe ich mich lebendig gefühlt. Es war so wundervoll, mit ihr zusammen zu sein, sie zu beobachten. Sie zu lieben.«
»Sie war die Liebe deines Lebens?«
Er nickte. »Das war sie wirklich.«
Die Traurigkeit in seiner Stimme erweichte ihr Herz. »Es ist immer so romantisch, wie du über sie sprichst und wie du dich an sie erinnerst. Sei nicht traurig, Tollpatsch. Du warst doch auch die Liebe ihres Lebens. Auch wenn es nicht für immer war.«
»Ich bin nicht sicher, ob dem so war. Davor habe ich ja solche Angst.« Sie gingen eine Weile schweigend weiter, bis er wieder das Wort ergriff. »Deine Mutter und deine Tanten wissen das nicht, aber ich bin Tessa begegnet, weil sie vorher mit meinem Bruder zusammen war. Du hast Bill nicht mehr kennengelernt. Clementine erinnert sich wahrscheinlich noch an ihn. Jemanden wie ihn vergisst man nämlich nicht so leicht. Er war ebenso berückend wie Tessa. Aber ihm war das mit ihr nicht ernst. Er hat sie nicht zu schätzen gewusst.«
Er war ganz in Gedanken versunken, als hätte er vergessen, dass seine Enkelin neben ihm herging. Als ob er Dinge äußern würde, die er viele Jahre verdrängt hatte. Maggie lauschte aufmerksam, als er von der Zeit mit Bill und Tessa sprach, als er froh und dankbar war, dass er das fünfte Rad am Wagen sein durfte, bis zu dem Tag, an dem sich Bill und Tessa getrennt hatten und sie zu ihm gekommen war. »Ich hatte anfangs geglaubt, ich wäre bloß der Lückenbüßer, aber ich hatte mich geirrt. Sie liebte mich wirklich. Wir haben geheiratet. Bill war unser Trauzeuge. Ich war mir ihrer Liebe sehr sicher, außerdem hat Bill dann eine Stelle in Südafrika bekommen. Tessa wurde mit Juliet schwanger, dann mit Miranda und Eliza. Wir hatten das Haus voller Kinder. Davon hatte ich immer geträumt. Dann kam Bill zu Besuch. Er war ganz der Alte – so lustig und geistreich wie immer, und er brachte Tessa zum Leuchten. Mir blieb nur, sie zu beobachten, und mich zu sorgen. Es ließ sich nicht leugnen, zwischen ihnen bestand immer noch eine große Anziehungskraft. Und dann sagte sie mir, dass sie wieder schwanger wäre. Erst war ich begeistert, das war eine großartige Neuigkeit. Unser viertes Kind. Aber dann machte ich mir so meine Gedanken. Ich wurde argwöhnisch. Ich wollte nicht so über sie denken, aber ich bin damals nicht dagegen angekommen.«
Da verstand Maggie. »Du glaubst, Sadie könnte Bills …« Sie beendete den Satz nicht.
»Ich habe mich gegen den Gedanken gewehrt. Als Sadie geboren wurde, habe ich gleich gemerkt, dass sie wie unsere anderen Babys aussah. Da habe ich mir gesagt, dass mir die Eifersucht wohl einen Streich gespielt hatte. Bill war bei ihrer Geburt auch nicht einmal in der Nähe.«
»Wünschst du, du hättest gefragt? Gewissheit gehabt, so oder so?«
»Ich konnte nicht. Ich konnte Tessa unmöglich glauben lassen, ich würde ihr nicht vertrauen.« Er atmete schwer. »Wenn es denn wirklich so war, dann wollte ich es nicht wissen.« Er blieb stehen und schaute Maggie an. Sie war betroffen, wie traurig er aussah. Wie alt. »Aber etwas, was Sadie in Tessas Tagebüchern gelesen hat, hat sie dazu gebracht, uns zu verlassen. Was könnte es sonst sein? Sie hat sich immer als Außenseiterin gefühlt. Und im Grunde war sie das auch.«
»Aber warum hat sie mich mitgenommen?«
»Ich weiß es bis heute nicht. Vielleicht wollte sie so tun, als hätte sie selbst Familie. Sie hat dich sehr geliebt. Und sie hat dich schon vorher als ihre Tochter betrachtet.«
Maggie wünschte, sie könnte sich besser an jene Jahre erinnern. Es war seltsam, all das zu hören, Beschreibungen ihrer selbst, und es sich nicht ins Gedächtnis rufen zu können. Ihre Erinnerungen an ihre Tante waren so vage. Das Sammelbuch, das Sadie für sie angelegt hatte, war das
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