Die Toechter der Familie Faraday
aufgefallen. Er hatte einfach weitergesprochen.
Dieser Moment hatte für sie den Zustand ihrer Ehe verkörpert. Es war immer um ihn gegangen, nicht um sie beide, und ganz sicher nicht um sie selbst. Einmal hatte er zugegeben, im Verlaufe einer In-vitro-Behandlung, die sie ausfindig gemacht, die sie gebucht hatte, dass er sich Kinder nie so dringend gewünscht hätte wie sie. Er tat das alles für sie. Sie hatte geweint, die kleinste Kleinigkeit hatte sie damals zum Weinen gebracht. »Aber du musst es dir genauso sehr wünschen wie ich, Myles. Du musst.«
»Aber ich kann nicht, Juliet. Ich kann dir nichts vormachen.«
In dem Moment war die Krankenschwester hereingekommen. Sie hatte nicht mit der Wimper gezuckt. In der Klinik herrschte ohnehin das Gefühlschaos. Streit, Kummer, Euphorie, jedes Paar, das dorthin kam, erlebte das über kurz oder lang.
Juliet war nicht ganz allein zu dem Entschluss gekommen, die Behandlung abzubrechen. Ihr Arzt hatte ihr unverblümt gesagt, dass sie Geld, Zeit und Hoffnung verschwendete. Myles hatte in jener Zeit sein Bestes gegeben, das musste sie eingestehen. Er war mit ihr zwei Wochen nach Spanien gefahren. Dort hatte er sie verwöhnt, ihr jeden Morgen das Frühstück ans Bett gebracht, nichts gesagt, wenn sie den ganzen Tag im Bett geblieben war, geschlafen oder manchmal nur dort gelegen hatte, während draußen die Sonne schien und Schwimmer und Surfer am Strand herumtollten. Zu ihr war nur das Lachen spielender Kinder durchgedrungen. Es hatte sie gemartert. Wohin sie auch ging, sah sie glückliche Familien.
Das hatte sich mit der Zeit geändert. Wohin sie auch ging, sah sie unglückliche Familien. Menschen, die ihre Kinder nicht verdienten. Mütter, die ihren Kleinkindern im Supermarkt einen Klaps gaben. Teenager, die sich nachts auf der Straße herumtrieben und um die sich niemand kümmerte. Die Zeitungen und Nachrichten waren voll mit Geschichten von vernachlässigten, verlassenen Kindern.
Dann war sie auf die Idee gekommen, ein Kind zu adoptieren oder in Pflege zu nehmen. Die Idee war zur Besessenheit geworden. Sie hatte sich an zwei Agenturen gewandt. Beide hatten ihr mitgeteilt, sie wäre noch nicht so weit. »Sie irren sich«, hatte sie insistiert. »Ich wäre die perfekte Mutter. Ich sehne mich danach, Mutter zu sein.«
Sie sagten ihr vorsichtig, dass genau das der Grund wäre, warum sie noch ein wenig warten und noch ein wenig Trauerarbeit leisten sollte. Man befürchte, dass sie ein verklärtes Bild vom Muttersein hätte. »Wir haben den Eindruck, dass sie der Wirklichkeit noch nicht gewachsen sind«, wurde ihr erklärt. Sie war anderer Meinung. Die Agenturen blieben dabei. Sie war nie wieder hingegangen.
Auch das hatte sie und Myles auf unterschiedliche Weise berührt. Myles hatte sein Leben weitergelebt. Juliet hatte das Gefühl, ihres wäre zum Stillstand gekommen. Ihre Ehe wäre zum Stillstand gekommen. Für Außenstehende hatte sich nichts geändert. Sie arbeiteten zusammen, lebten zusammen, schliefen zusammen, obwohl sie seit Monaten keinen Sex mehr gehabt hatten. Aber während all dieser Zeit hatte sich etwas verändert. Ihre Gefühle für ihn. Ihre Liebe war erloschen, ebenso wie ihre Hoffnung auf Kinder erloschen und gestorben war.
Sie hatte das Gefühl, dass ihr keine andere Wahl blieb als die, die sie schließlich vor einer Woche getroffen hatte. Sie musste ihn verlassen. Es gab nichts mehr, was sie zusammenhielt. Und bald würde er in ihre Küche kommen, ihre Nachricht lesen und das einsehen.
Sie hatte sich auf viele Tränen eingestellt, aber sie hatte keine mehr. Sie hatte sie alle vor so vielen Jahren vergossen. In ihr war nur noch Leere. Resignation. Eine Lücke, die sie schon so lange mit Arbeit gestopft hatte.
Abrupt stand sie auf, schaltete das Radio ein und schnappte sich einen Stapel Bettwäsche. Hatte ihr das nicht sogar Myles geraten, wenn sie in Tränen aufgelöst war, Monat um Monat?
»Du musst dich beschäftigen, Juliet.«
Das würde sie. Sie würde die kommenden Tage mit Kochen, Abwechslung, ihrer Familie, Maggie und ihrem Überraschungsverlobten verbringen. Und wenn alle wieder fort waren, wenn sie und Myles die Modalitäten der Trennung geregelt hatten und sie allein war, würde sie sich weiterhin beschäftigen. Was blieb ihr auch anderes übrig?
Eliza war mit dem Packen fast fertig. Sie wollte um sieben am Flughafen sein und sich dort mit Clementine treffen, die aus Hobart kam. Ihr gemeinsamer Flug Richtung Irland würde drei
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