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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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glücklichen Folgen hatte sämtliche Schuldgefühle getilgt. Sie hatte sich ausgemalt, wie sie den Tisch für ein romantisches Abendessen decken, ihm sein Lieblingsessen servieren, zwei Gläser Wein eingießen und, nachdem sie angestoßen hatten, ihres wieder abstellen, aufstehen, zu ihm gehen und ihm zuflüstern würde: »Ich muss dir etwas sagen.« Dann würde sie Leo und die anderen anrufen, ihre Glückwünsche Musik in ihren Ohren.
    Nur, dass es dazu niemals gekommen war. Monat um Monat Enttäuschung. Mehr noch als das. Es war ein Verlangen, ein Schmerz, eine Leere, die ausgefüllt werden musste. Sie sehnte sich danach, ein Kind in den Armen zu halten, ein Baby, das sich an sie kuschelte. Doch kein beliebiges Baby – ihrer beider Baby. Juliets Baby. Das Empfinden war nicht nur körperlich. In ihrem Kopf war ein ganzer Bereich für ihr Kind – ihre Kinder – reserviert. Sie wollte für ein Kind sorgen, sich über ihr Kind freuen, ärgern, aufregen. Sich aufopfern.
    Als sie sechsunddreißig wurde, war sie mit Myles zu Ärzten gegangen. Unerklärliche Unfruchtbarkeit, hatte es lapidar geheißen. Sie hätte schreien mögen. Wieso unerklärlich? Sie mussten es ihr erklären. Sie musste bis ins kleinste Detail wissen, warum sie das, was sie sich am meisten auf der Welt wünschte, nicht bekam. Sie hatte einen Test nach dem anderen gemacht. Myles ebenso, obwohl sie ihn dazu zwingen musste. Sie suchten Therapeuten auf, machten Entspannungsurlaub, unterzogen sich einer Fruchtbarkeitsbehandlung und Hormonkuren. Nichts half.
    Myles hatte als Erster aufgegeben. »Vielleicht soll es einfach nicht sein.«
    Sie hatte getobt. Die künstlichen Hormone hatten ihrer Wut zusätzliche Nahrung gegeben. »Und ob es sein soll. Ich spüre es. Ich will nicht nur ein Baby, Myles, ich brauche ein Baby.«
    In jenen Tagen hätten sie sich fast getrennt. Er konnte ihren Kummer nicht mehr ertragen. Sie konnte nicht ertragen, dass er sich mit der Situation abfand. Das Geschäft hatte sie zusammengehalten. Ohne die gemeinsame Arbeit wäre es ein Leichtes gewesen, nicht mehr miteinander zu reden, jeder in seinem Teil des Hauses zu bleiben, sich auseinanderzuleben. Aber sie mussten jeden Morgen im Büro miteinander sprechen.
    Maggies Besuche hatten ein wenig geholfen. Juliet hatte immer ein Zimmer für sie bereit. Dort stand ein Regal mit ihren Büchern, im Schrank hingen sogar einige Kleider. Juliet hatte Maggie unglaublich gerne um sich, wenn sie auch wusste, dass die Gefühle und die Liebe zu ihrem eigenen Kind noch tiefer gehen würden.
    Als keine einzige Behandlung angeschlagen hatte, als sie australischen Ärzten Tausende Dollar und britischen Ärzten Tausende Pfund gezahlt hatten, als Juliet mehr Tränen vergossen hatte, als sie sich je hätte vorstellen können, hatte sie endlich beschlossen, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Myles hatte sie schon Monate zuvor beschworen. »Du zerstörst dich selbst«, hatte er gesagt. Wieder hatte sie überreagiert. »Ich zerstöre mich nicht. Die Situation zerstört mich.« Ihr hatte auf der Zunge gelegen, es ihm zu sagen. Sie hatte die Worte förmlich vor sich gesehen, wie sie sich aufreihten, bereit, losgelassen zu werden: »Das ist alles deine Schuld.« Sie musste jemandem die Schuld geben. Sie wollte ihm die Schuld geben. Denn es war seine Schuld. Wenn er nicht darauf bestanden hätte zu warten, Jahr um Jahr, nur aus dem dummen, eitlen Grund, ihr Geschäft aufzubauen, mit dem lächerlichen, sinnlosen Ziel, noch mehr Cafés zu eröffnen, dann hätten sie womöglich Kinder. Das hatten die Ärzte alle gemeint. Sie hätten es zu spät versucht. Zu spät, um ihre Probleme noch beheben zu können. Sie hatte nie eine Chance gehabt. Sie hatte Myles zuliebe zu lange gewartet.
    Die Arbeit hatte ihr während manchen Jahres Ablenkung geboten. Es ließ sich nicht leugnen, der Erfolg hatte ihr Trost und Freude gespendet. Das Kochen war immer noch ihre große Leidenschaft, das Erfinden von Rezepten, die Planung von Menüs, die Arbeit im Team.
    Aber im Privaten hatte sich im Laufe der letzten Monate etwas geändert. Sie konnte es nicht benennen, doch eines Tages hatte sie Myles beim Frühstück angesehen und gewusst, dass es vorbei war. Er hatte von seiner bevorstehenden Geschäftsreise nach Glasgow gesprochen. Sie hatte ihn dabei angeschaut, und ihr war, als ob der Ton leise gestellt worden wäre, sein Mund öffnete und schloss sich nur. Sie hatte aufstehen und weggehen wollen. Sie hatte es getan. Es war ihm nicht

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