Die Toechter der Familie Faraday
war das Gesamtpaket, seine Intelligenz, sein Humor, sein Äußeres. Wieso ihn sich noch keine andere Frau geschnappt hatte, war ihr ein Rätsel, aber es war nicht zu leugnen -
O Gott. Sie war in Gabriel verliebt.
»Maggie?«
Sie fuhr herum. Sie war überzeugt, dass ihr der Gedanke ins Gesicht geschrieben stand.
»Möchtest du noch etwas trinken?«
Sie hatte die Flugbegleiterin mit dem Getränkewagen gar nicht bemerkt. »Nein, vielen Dank.«
Leo und Gabriel vertieften sich wieder in ihr Gespräch. Maggie holte Luft. Sie musste sich ihrer Aufgabe zuwenden. Die Tagebücher waren das Dringlichste. Sie hatte es ausgerechnet – neun Tagebücher, jedes mit hundert Seiten. Neunhundert Seiten. Sie würde mehrere Minuten pro Seite benötigen. Das hieß, einige Tage intensiven Lesens. Sie sollte auf der Stelle beginnen.
Der Aktenkoffer mit den Tagebüchern war im Gepäckfach. Sie stand auf, ging an Gabriel vorbei und öffnete das Fach.
Er stand auch auf. »Ich mach das schon«, sagte er. Er nahm die Aktentasche heraus und reichte sie Maggie.
»Ich dachte, ich fange am besten an«, sagte Maggie zu Leo.
»Danke, Liebes.« Er strahlte sie an, in seinem Blick lag eine große Verletzlichkeit. »Das gehört alles zu dem Projekt, an dem du ja auch beteiligt bist, Gabriel. Das muss unbedingt zwischen uns dreien bleiben, aber ich habe Maggie zur Chefleserin und Chefredakteurin von Tessas Tagebüchern ernannt. Also, unterbrich mich, wenn ich mich wiederhole, aber habe ich dir schon einmal von meiner ersten Erfindung erzählt?«
Gabriel war bis zur Landung in Irland beschäftigt.
Maggie öffnete den Aktenkoffer und nahm das erste blaue Notizbuch heraus. Sie machte es sich in ihrem Sitz bequem, schlug das Buch auf, fuhr mit dem Finger über die ausladende Schrift auf der Innenseite – Tessa Faraday, streng vertraulich – und begann zu lesen.
36
Tasmanien. Er hatte Tasmanien erwähnt.
Sadie setzte sich kerzengerade im Bett auf. Sie wusste nicht, wie spät es war, was sie geweckt hatte, aber sie wusste nun, warum dieser Journalist sie so beschäftigt hatte. Er hatte Tasmanien erwähnt.
Wie konnte er davon wissen? Sie hatte es ihm nicht erzählt. In ihren Broschüren fand sich auch nichts darüber. Sie hatte mit Larry oder Maudie niemals über Tasmanien gesprochen. Sie glaubten beide, sie stammte aus Adelaide.
Sie ging die Unterhaltung noch einmal in Gedanken durch. Vielleicht hatte sie sich getäuscht, sich das bloß eingebildet. Ihre Familie spukte ihr schließlich schon seit einer ganzen Woche im Kopf herum, wie immer um diese Jahreszeit, besonders seit Sadie vor einigen Jahren erfahren hatte, dass sich die anderen keine fünf Stunden von Dublin entfernt trafen.
Sie erinnerte sich noch lebhaft an ihren Schock. Maggies Brief stand ihr noch immer vor Augen. Er hatte mit der beiläufigen Bemerkung geschlossen, dass Leo wieder einmal alle überrumpelt hatte, indem er ein Ferienhaus gekauft hatte, »ausgerechnet in Donegal. Wir werden also künftig dort unsere Juli-Weihnachtsfeste feiern. Du bist uns von Herzen willkommen, sollte es dich jemals nach Irland ziehen.«
Daraufhin hatte sie den Brief, den Leo mitgeschickt hatte, sofort gelesen. Zum allerersten Mal. Sie las ihn immer erst später, je nachdem, in welcher Verfassung sie war. In seinem Brief war auch von dem Haus die Rede gewesen: »Falls du jemals dorthin kommen möchtest, um dich Tessa nahe zu fühlen, ich würde dir gerne die Reise bezahlen.«
Sie hatte seinen Brief augenblicklich vernichtet, dann Maggies. Sie hatte all ihre Briefe und Karten vernichtet. Das musste sie tun. Sie konnte nicht riskieren, dass sie Larry oder Maudie in die Hände fielen. Sie wusste nur zu gut, was daraus entstehen konnte, wenn man persönliche Dinge aufbewahrte. Doch die Neuigkeit mit dem Haus hatte sie nicht losgelassen.
Es war ein Leichtes gewesen herauszufinden, um welches Haus es sich handelte. Ein Anruf bei einem Auktionator in Letterkenny, der Kreisstadt von Donegal, eine beiläufige Frage, welche Häuser im Südwesten der Grafschaft, in der Nähe von Glencolmcille, in letzter Zeit verkauft worden waren. Sie wurde auf mehrere Websites verwiesen, auf denen zahlreiche Häuser aus der Gegend angeboten wurden. Sie hatte nicht einmal eine Stunde gebraucht: ein schönes, großzügig ausgebautes Haus, weiß getüncht, mit Blick auf See und Berge.
Sie war sogar einmal daran vorbeigekommen. Sie hatte mit Larry geschäftlich in Letterkenny zu tun gehabt, und auf dem Rückweg nach
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