Die Toechter der Familie Faraday
erschienen. Dann die nächste, dann noch eine. Die Gespräche hatten sie so beschäftigt, dass es ihr kaum gelungen war, sich wieder zu beruhigen.
Als Erste war Miranda zu ihr gekommen. Sie hatte dreimal an Maggies Tür geklopft, sich an ihr Bett gesetzt und war gleich zur Sache gekommen: »Maggie, ich mache mir Sorgen wegen Gabriel. Irgendetwas ist da komisch. An ihm und an der ganzen Situation.«
Maggie hatte sich aufgesetzt und ihre Nachttischlampe eingeschaltet. Wieder hatte sie sich gewünscht, sie könnte die Wahrheit sagen, aber das ging nicht. Noch nicht. Sie hatte stattdessen gelacht und mit Humor auf Mirandas Bemerkung reagiert. »Miranda, ich bitte dich. Nur weil ich mit Angus einen Fehler gemacht habe, heißt das nicht, dass ich gleich wieder einen machen werde.«
»Ich sehe nur mit Sorge, dass du im Moment sehr verwundbar bist und er das womöglich ausnutzen könnte.«
Miranda lallte ein wenig. Sie hatte beim Essen kräftig dem Wein zugesprochen. Maggie malte sich aus, wie ihre Tante reagieren würde, wenn sie ihr in diesem Moment die Wahrheit erzählen würde. Sie wäre außer sich vor Wut, weil man sie hinters Licht geführt hatte. Sie würde Leo in Stücke reißen, dann Maggie und schließlich auch Gabriel, weil er mit in die Sache verwickelt war, und dann würde sie vermutlich wutentbrannt abrauschen. Eliza würde ihr sehr wahrscheinlich nachfolgen. Leo wäre außer sich. Jede Aussicht auf ein Wiedersehen mit Sadie – falls die Frau in Dublin wirklich Sadie war -, während sie alle in Donegal waren, wäre ruiniert. Maggie musste durchhalten.
Miranda war noch nicht fertig. »Ich will ja nur, dass du vorsichtig bist. Das mit Gabriel ist alles so schnell gegangen. Du hast ihn niemals zuvor erwähnt – im Grunde hast du überhaupt nie etwas aus deinem Leben in New York erwähnt -, und auf einmal taucht er hier auf. Kann einfach alles stehen und liegen lassen. Weicht all meinen Fragen aus …«
»Deshalb bist du so misstrauisch. Da hast du einmal deinen Meister gefunden.«
»Ich bin misstrauisch, weil ich dich sehr lieb habe und nicht will, dass dir schon wieder wehgetan wird. Überstürze nichts. Lerne ihn erst noch ein wenig besser kennen. Hör auf deinen Bauch.«
»Ich brauche nicht auf meinen Bauch zu hören. Ich habe doch eine Mutter und vier Tanten, die mir Ratschläge erteilen.«
»Vier?«
»Vier. Du, Juliet, Eliza und Sadie.«
»Macht drei einsatzfähige Tanten. Und was deine Mutter und ihre Fürsorge angeht«, höhnte Miranda, »deine Mutter würde doch nicht einmal merken, wenn du mit einem Erdmännchen als Verlobtem ankommen würdest.«
»Das würde sie wohl. Clementine ist eine tolle Mutter.«
»Wenn es ihr in den Kram passt, ja. Wenn ihre Forschungsprojekte ihr Zeit dafür lassen.«
»Das ist nicht fair.« Maggie bemerkte in diesem Moment, dass ihre Tante ziemlich betrunken war.
»Wir haben alle unseren Beitrag geleistet, Maggie. Wir alle haben geholfen, dich großzuziehen. Deshalb fühle ich mich auch in hohem Maße berechtigt, so mit dir zu sprechen.«
»Das bist du nicht. Ich bin doch kein Kind mehr.«
»Aber du hörst doch nicht auf, meine Nichte zu sein, nur weil du alt genug bist, wählen zu gehen.«
»Ich treffe seit Jahren meine eigenen Entscheidungen. Außerdem habe ich es die letzten drei Monate auch allein geschafft, oder?«
Miranda höhnte wieder. »In einem mietfreien Apartment in einer der besten Gegenden Manhattans, das dir eine Freundin von mir zur Verfügung gestellt hat, weil du meine Nichte bist. Es allein schaffen, Maggie, sieht anders aus. Für mich klingt das nach Um-dich-Kümmern.«
Maggie war nicht länger amüsiert. Sie war wütend. »Bist du mit Sadie auch so umgesprungen?«
»Was meinst du mit so?«
»So herrisch? Bestimmend? Gemein?«
»Schau an, da brüllt die Maus.« Miranda lächelte, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen. Es gelang ihr nicht ganz. »Weshalb fragst du? Sag mir nicht, du hast dich all die Jahre heimlich mit Sadie getroffen und darüber gelästert, wie gemein wir alle zu ihr waren?«
»Ist sie deshalb gegangen?«
Miranda stand auf. »Ich weiß nicht, warum sie gegangen ist. Aber ich kann dir sagen, warum sie niemals zurückgekommen ist. Weil sie sich nämlich letzten Endes als die Klügste von uns allen erwiesen hat. Sie hat ihre Freiheit über ihre Familie gestellt. Und ich wünschte manches Mal, ich hätte es ebenso getan.«
Maggie hatte kaum Gelegenheit, Mirandas Auftritt zu verdauen, als es fünf Minuten später
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