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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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Sie bildete es sich nicht ein. Etwas war dieses Jahr anders. Ihre Tanten hatten noch nie so mit ihr gesprochen, ihr noch nie solche Dinge erzählt. Aber sie selbst hatte auch noch nie so mit ihnen gesprochen. Sie hatte sich niemals Miranda gegenüber behauptet, Eliza herausgefordert oder so offen mit Juliet geredet. Hatte sie gerade die perfekte Gelegenheit versäumt, nach Sadie zu fragen und ihnen zu sagen, dass sie die Wahrheit kannte, und ihre Reaktionen zu beobachten?
    Maggie wartete erst gar nicht mehr, bis Clementine zu ihr kam. Sie schlich leise durch den Flur, machte einen großen Schritt über die quietschende Diele hinweg und schlüpfte in das Zimmer ihrer Mutter. Durch das offene Fenster fiel helles Mondlicht. Clementine schlief immer bei offenen Vorhängen.
    Maggie flüsterte. »Clementine?«
    »Maggie?« Clementine setzte sich augenblicklich auf. »Alles in Ordnung?«
    »Kann ich kurz unter deine Decke schlüpfen?« Der Satz stammte noch aus Kindertagen.
    Clementine lächelte, sie erinnerte sich auch. »Natürlich.« Sie hob ihre Decke, und Maggie legte sich neben sie. Sie hatte seit ihrer Kindheit nicht mehr im Bett ihrer Mutter gelegen. Wenn sie damit doch nicht so lange gewartet hätte. Es war noch immer tröstlich.
    Clementine machte kein Licht an. Sie drehte sich zur Seite und strich ihrer Tochter das Haar aus dem Gesicht. »Was ist denn, Maggie? Was ist denn los?«
    Am liebsten hätte Maggie ihr alles erzählt, von Leos Verschwörung, der falschen Verlobung. Es war nicht richtig, ihrer Mutter das alles zu verheimlichen. Sie hätte ihr gerne erzählt, was sie über Sadie wusste, und sie gefragt, wie das damals gewesen war, was Clementine damals empfunden hatte und ob sie ihrer Schwester inzwischen vergeben und warum sie ihr in all den Jahren niemals die Wahrheit gesagt hatte.
    Aber auch jetzt hielt sie der Gedanke an die Konsequenzen davon ab. Clementine würde sicher nicht so ein Drama wie die anderen machen, aber wütend wäre sie trotzdem. Sie würde einen Streit mit Leo vom Zaun brechen. Doch noch musste alles so bleiben, wie es war. Nur für den Fall, dass Sadie wirklich kommen wollte …
    »Was ist los, Maggie?«, fragte Clementine wieder.
    »Ich hatte gerade ein paar Besucher.«
    »Du meinst, ein paar Tanten?«
    Maggie nickte. »Alle drei.«
    »Wie die Heiligen Drei Könige mit ihren Gaben?«
    »Gaben würde ich das nicht nennen.«
    »Oje.« Clementine zupfte ihr Kissen zurecht und lächelte. »Vielleicht irre ich mich ja, aber hatte Miranda womöglich etwas über Gabriel zu sagen?«
    »Woher weißt du das?«
    »Sie spricht von nichts anderem. Hör nicht auf sie, Maggie. Hör auf dein Herz und deinen Verstand. Ich hatte ja bisher kaum Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, aber er scheint ein feiner Kerl zu sein. Er ist aufmerksam, klug, und offensichtlich liegt ihm sehr viel an dir.«
    »Du magst ihn?«
    »Soweit ich das bisher beurteilen kann, ja. Was hat Eliza denn für eine Meinung zu ihm?«
    »Sie war nicht wegen Gabriel bei mir.« Maggie zögerte. »Findest du auch, ich müsste längst wieder einen Job haben?«
    »Nein, warum? Du weißt doch noch nicht, was du machen willst, oder?«
    »Nein.«
    »Warum etwas überstürzen? Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst.«
    »Und findest du auch, ich sollte so schnell wie möglich Kinder bekommen?«
    »Noch bevor ihr heiratet?«
    »Solange ich jung bin.«
    »Hast du mit Gabriel darüber geredet?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Na, dann warte doch ab. Wenn ihr es wollt und es klappt, umso besser.«
    Maggie hatte noch eine weitere Frage auf dem Herzen. »Du bereust es doch nicht, dass du mich bekommen hast, oder?«
    »Ich habe es nie auch nur eine Sekunde bereut.«
    »Du meinst also nicht, dass du beruflich mehr erreicht und ein besseres Leben gehabt hättest, wenn ich dich nicht eingeschränkt hätte?«
    »Ich habe in meinem Beruf alles erreicht, was ich wollte. Weil ich immer tun konnte, was ich wollte. Und zwar wegen dir, Maggie. Ohne dein Verständnis wäre das nicht gegangen.«
    Ihr Verständnis? Aber hatte sie immer Verständnis gehabt? Maggie war sich nicht mehr so sicher. Die Enthüllungen und Ereignisse der letzten Tage hatten sie zu sehr mitgenommen. Es hatte Zeiten in ihrer Kindheit gegeben, in denen sie sich gewünscht hatte, Clementine wäre nicht so oft fort. Zeiten, in denen sie lieber nicht bei ihren Tanten geblieben wäre. Clementine hatte wichtige Ereignisse in ihrem Leben verpasst, weil sie auf irgendeiner Insel oder irgendeinem Berg

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